Der jüdische Messias
Petra Bohm | Posted 12/04/2013 | Belletristik | Keine Kommentare »9 Jahre nachdem sich halb Europa schon an diesem herrlichen Roman erfreuen durfte, ist “Der jüdische Messias” nun endlich auf Deutsch erschienen – Juhu!
Ja, dieser Roman um einen jungen Schweizer, der kein Jude ist, aber aus ziemlich absurden Gründen gerne einer wäre, und seinen orthodox-jüdischen Freund, der mit ihm gemeinsam Hitlers “Mein Kampf” ins Jiddische übersetzt, ist politisch und religiös absolut unkorrekt – aber hält man die Deutschen für so doof, so dauerhaft schuldbewusst oder doch immer noch für heimliche Nazis, dass sie ihn in seiner Substanz nicht verstehen oder gar mitlachen können?
Egal – nun ist er da. Xavier Radek. Ein junger Gymnasiast aus Basel, mit bizarren Charakterzügen. Die lässt Arnon Grünberg von der ersten Seite so geschickt aufblitzen, dass man unbedingt wissen will, wie es mit diesem, mit einer bestürzenden Logik ausgestatteten, Jungen weitergeht. Er hält sich selbst für einen glücklichen Menschen, der nicht leidensfähig ist und ist besessen von der Idee, “Leidenden” zu helfen.
Xaviers Opa war ein Nazi-Verbrecher im zweiten Weltkrieg, doch dies wird von seinen Eltern totgeschwiegen. Nur durch Zufall entdeckt er das Tagebuch des Opas und “Das verbotene Buch” (Hitlers “Mein Kampf”). Dies bringt ihn auf die fixe Idee, die Juden – die in seinen Augen den meisten Schmerz empfinden müssten – von ihren Leiden zu befreien und er nimmt Kontakt zur jüdischen Gemeinde in Basel auf. Dort lernt er den Sohn des Rabbiners (der eigentlich keiner ist) Awrommele kennen, der im Gegensatz zu Xaviers dunklem Typ, blond und blauäugig “wie ein Engel” aussieht.
Obwohl Xavier sofort in Awrommele verliebt ist (Wobei mir besonders das Kennenlerngespräch der beiden in einem Hotelrestaurant die Lachtränen in die Augen getrieben hat) leugnen beide, etwas füreinander zu empfinden, landen aber trotzdem in einer homoeotischen Beziehung.
Awrommele bringt Xavier Jiddisch bei, indem sie gemeinsam “Mein Kampf” von Adolf Hitler übersetzen, und verhilft ihm zur Beschneidung, bei der Xavier einen Hoden verliert, den er künftig im Einmachglas mit sich herumträgt und ihn auf den Namen »König David« tauft. Später in Israel entdeckt Xavier sein Talent als Politiker und Führerpersönlichkeit. Als »Tröster der Juden« will er der Welt »seinen Stempel aufzudrücken« und droht mit universeller atomarer Rache. Ganz eindeutig steckt in dieser Figur eine gute Portion Hitler.
Klingt verrückt? Dieser Roman ist teils irritierend, teils unfassbar komisch und lässt einen als Leser am Ende doch nachdenklich zurück. Lesen! Endlich! Unbedingt!
Arnon Grünberg, 1971 in Amsterdam geboren, lebt und schreibt in New York. Sein in 17 Sprachen übersetzter Erstling, ›Blauer Montag‹, wurde in Europa ein Bestseller. Neben allen großen niederländischen Literaturpreisen erhielt Arnon Grünberg auch den NRW-Literaturpreis.
Arnon Grünberg liest in
Zürich 27. Mai 2013, 20.00 Uhr
Basel 28. Mai 2013, 19.30 Uhr
Kiel 29. Mai 2013, 20.00 Uhr
Berlin 30. Mai 2013, 20.30 Uhr
München 1. Juni 2013, 20.00 Uhr