Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
Petra Bohm | Posted 29/07/2013 | Belletristik | Keine Kommentare »Diesem wunderbaren Buch fehlt eigentlich nur eines: Ein Lesebändchen! Denn zum Verschlingen in einem Rutsch ist der neue Roman von Alex Capus (Leon und Louise) viel zu schade…
Capus’ drei Protagonisten gab es “wirklich” und wem es nicht so gehen mag wie mir, der darf ruhig vorher Namen und biografische Eckdaten googeln, um nicht den Lesefluss – von Neugier getrieben – unterbrechen zu müssen.
Alle drei verbindet der Bruch in ihren Biografien, denn jeder wurde auf seine Art zu einem “Held” wider Willen, durch Umstände gezwungen, seine Wünsche und Hoffnungen aufzugeben.
“Der Fälscher” Emile Gilliéron (1885-1939) war ein begnadeter Zeichner und Maler, aber keine Künstlerseele im Herzen. Aus pragmatischen Gründen liess er sich von Heinrich Schliemann als Zeichner bei dessen Ausgrabungen in Griechenland anheuern und wurde, nachdem er merkte, dass die Grenze zwischen Kopie und nicht deklarierter Fälschung durchaus fliessend ist zu einem der grössten Kunstfälscher aller Zeiten.
“Die Spionin” Laura d’Oriano (1911-1943), älteste Tochter einer herumziehenden Künstlerfamilie, brach ihr ersehntes Gesangstudium in Paris mangels Talent ab, übernahm zunächst die Notenhandlung der Familie in Marseille, heiratete dann einen Schweizer und liess sich später als alliierte Spionin anheuern.
“Der Bombenbauer” Felix Bloch (1905-1983), der sein Maschinenbaustudium an der ETH Zürich abbrach, weil er dessen Nutzwert für die Kriegsmaschinerie hasste, studierte bei Heisenberg in Leipzig Atomphysik, hoffte, sich im friedlichen Selbstzweck der Forschung zu verwirklichen – und wurde einer der Helfer von Oppenheimer beim Bau der Atombombe.
Nur einmal könnten die drei einander begegnet sein: im November 1924 am Hauptbahnhof Zürich. Und mit dieser möglichen Situation führt uns Capus in ihre seltsam verbundenen Schicksale ein, fesselt einen sofort mit seinem faktentreuen und detailreichen Erzählstil, füllt biografische Lücken mit authentisch anmutender Phantasie. Doch er “quält” seine Leser auch: kaum hat man sich in das Schicksal eines der Protagonisten genüsslich vertieft und will unbedingt wissen, wie es in dessen Leben weiter geht, schlägt Capus die dem Leser gerade eben geöffnete Tür wieder zu und widmet die nächsten Seiten einem der anderen beiden Helden.
Ein kunstvoll komponierter, stilsicherer und doch leicht zu lesender Roman über Menschen, die nicht an Gegebenheiten verzweifeln, sondern ihr Glück auch in einer unerwarteten Ecke des Lebens finden können.
Nach Elsa Ungeheuer im Frühling mein Lieblingsroman in diesem Sommer!