Im Stein

Petra Bohm | Posted 12/09/2013 | Belletristik | Keine Kommentare »

Aktuell auf der Shortlist des deutschen Buchpreis gelandet ist das neue Gesellschaftsepos von Clemens Meyer. Kein Buch für Zwischendurch, aber wer durchhält wird mit einem intensiven Leseerlebnis belohnt!

Man muss sich fallen lassen, in die 550 dicht bedruckten Seiten dieses Rotlicht-Mileu-Romans, der durch Perspektiven, Zeiten und Ereignisse springt und so eher ein Panorama, eine Collage, als eine klassische Romanhandlung bietet.

Meyer pflegt seinen Ruf als selbstbewusster Rowdy im Literaturbetrieb und angesichts seiner Vergangenheit fragt man sich so bisweilen schon, wie viel eigene Erfahrung in seinen Berichten von Puffbesuchen, Bandenkriegen und Drogensumpf steckt. Wie auch immer – dem Buch tut diese Nähe und auch Sympathie des Autors zu seinen Protagonisten gut.

Erst im Laufe der Kapitel von der Wende bis zu Gegenwart entwickeln die beiden Zuhälter AK und Hans zu Hauptfiguren. 1993 in der “grossen Stadt” (nie genannt aber wohl gemeint ist Leipzig) kämpfen Prostituierte, Engel und Geschäftsmänner um Geld, Macht und ihre Träume. Anwälte, Immobilienmogule, Politiker und Ex-Stasileute besuchen die minderjährigen Nutten in einem illegalen Bordell. Die Polizei deckt das korrupte Geschäft, da sie selbst gratis “bumsen” darf. Aber dies ist nur ein Einstieg.

Meyer schlüpft in die Perspektive einiger Huren im Dienst, leiht seine Stimme einem Ex-Jockey, der am Strich der Berliner Kurfürstenstrasse nach seiner drogensüchtige Tochter sucht, lässt einen gescheiterten Ex-Zuhälter aus dem Ruhrpott zu Wort kommen, ersinnt ein Radioprogramm für Puffbesucher. Doch all diese Darsteller bleiben meist gefangen in ihrem inneren Dialog und die verschachtelte Erzählweise lässt dieser immer einsamer werden, erzeugt auch beim Leser eine Leere, berührt und erschreckt.

Ein schonungsloses wirklich aussergewöhnliches Buch über das älteste Gewerbe der Welt, das seine Leser fordert.

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