Ohne jeden Zweifel
admin | Posted 20/11/2013 | Krimi | Keine Kommentare »Schon wieder ein Skandinavienkrimi? Wird das nicht langsam langweilig? Mitnichten – denn „Ohne jeden Zweifel“ stammt nicht aus der Feder eines der üblichen Verdächtigen, sondern von einem Briten. Mit der Trilogie um den russischen Geheimdienstler Leo Demidow hat sich Tom Rob Smith ganz nach vorne in die Riege der Top-Thrillerautoren katapultiert. In seinem neuen Roman heisst der Schauplatz nun also Schweden – als gäbe es auf den Schären nicht schon genug Scherereien…
Text: Dominik Roth
Oh oh, da kommt ja eine Menge auf unseren Protagonisten zu. Daniel, Endzwanziger, lebt in London. Schon lange wollte er die Eltern – beide haben ihr Leben in England hinter sich gelassen, um in Schweden einen neuen Anfang zu wagen – über seine Homosexualität aufklären. Das klappt jetzt vorerst nicht, denn als er seinen Vater an die Strippe bekommt, eröffnet ihm dieser, dass Frau Mama in die Psychiatrie eingeliefert worden sei. Sie neige zu paranoiden Tendenzen.
Also Essig mit der trauten Familienzusammenkunft. Aber es wird noch aufregender. Daniels Mutter kann fliehen und schlägt sich tatsächlich zu ihrem Sohn nach London durch. Dort angekommen erzählt sie ihm eine ganz andere, ziemlich beunruhigende Geschichte, die – sollte sie denn stimmen – keinen Zweifel aufkommen lassen würde, warum man versucht, Daniels Mutter mundtot zu machen. Die Psychiatrie sei der beste Einfall dafür – wer glaubt schon einer Irren? Aber dort oben – im tiefsten Schweden, auf dem Hof der Eltern – da sollen äusserst merkwürdige Dinge vorfallen. Doch welche Version der Geschichte stimmt? Spricht Frau Mama die Wahrheit oder ist sie schlicht und ergreifend geisteskrank geworden?
Ja, der Pfad der Gerechten ist zu beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Egal ob links oder rechts, die Wahrheit ist eine Brücke, die zwischen Pest und Cholera gebaut wurde. Nein, mit dem Protagonisten von „Ohne jeden Zweifel“ möchte wohl niemand tauschen – die Lektüre ist auch so schon nervenaufreibend genug. Stellt sich aber immer noch die Frage, warum Mr. Smith den Schwedenstaat als neues Setting auserkoren hat. Vielleicht aus einer Art Sentimentalität heraus, schliesslich ist er selbst Sohn einer schwedischen Mutter und eines englischen Vaters. Überhaupt mag das eventuell nicht so wichtig sein – spannend ist die Geschichte allemal; jedoch nur, wenn der Thrillerfreund sich von den vorangegangenen Werken des Autors nicht zu sehr einnehmen lässt.
„Ohne jeden Zweifel“ ist ganz anders als „Kind 44“, „Kolyma“ und „Agent 6“, sowohl sprachlich als auch im Spannungsaufbau. Die hohe Schlagfrequenz seiner Vorgänger mag der neue Roman nicht beibehalten – stattdessen liegt die Grausamkeit tief in der Psyche der Figuren begraben. Ein ganz anderes Lesefeeling also, das so manchen Leo Demidov-Fan vergrätzen wird. Diese dürfen sich auf die anstehende Veröffentlichung der „Kind 44“-Verfilmung freuen, mit hochkarätigen Darstellern wie Tom Hardy (Bane in „The Dark Knight Rises“), Joel Kinnaman (der neue „RoboCop“) und Haudegen Gary Oldman besetzt. Unvoreingenommene Bibliophile hingegen greifen beherzt bei „Ohne jeden Zweifel“ zu. Auch wegen des Schauplatzes – denn irgendwie mag man sich keinen geeigneteren Ort für diese Geschichte ausmalen als einen Hof in Skandinavien.