«Der eingebildete Kranke» mit barocker Originalmusik
Petra Bohm | Posted 02/07/2010 | Notizen | Keine Kommentare »Der Komponist Marc-Antoine Charpentier ist vor allem durch die Eurovisions-Erkennungsmelodie bekannt. Das Aachener Theater führt nun Molières «Der eingebildete Kranke» mit der Musik auf, die Charpentier ursprünglich für das Schauspiel schuf…
Der musikalische Funken zündete: Der Schlussapplaus im Aachener Theater nach der Premiere von Molières «Der eingebildete Kranke» gipfelte in rhythmischem Klatschen. Molières ursprünglich als Ballettkomödie bezeichnete böse Satire über den Hypochonder Argan ist auf den Spielplänen häufig vertreten, doch nie wird sie mit der Musik aufgeführt, die Marc-Antoine Charpentier Molières legendärer Truppe im 17. Jahrhundert auf den Leib schrieb. Am Aachener Theater hat man nun diese umfangreiche barocke Partitur ausgegraben und mit zwei Anleihen aus anderen Werken von Charpentier neu gruppiert und mit Molières Text verzahnt.
Im hochgefahrenen Orchestergraben, der von einer Art Steg, einer Passerelle für das hautnah zu erlebende Spiel der Darsteller umgeben ist, sitzt unter der stilsicheren Leitung von Volker Hiemeyer ein ausgewachsenes Barockorchester. Es verdankt seinen speziell französischen Klang barocken Oboen, Blockflöten, einer Laute und einem unter anderem mit Tambourin bestückten Schlagwerk. Auf der Bühne steht der vollzählige Opernchor, auch die Darsteller rekrutieren sich zum größten Teil aus dem Sängerensemble des Aachener Theaters.
Über weite Strecken gibt sich die Aachener Inszenierung wie eine Barockoper, zumal Charpentiers Musik überaus charakteristische Züge entwickelt. Offenbar waren sich Schauspiel und Oper zu Moliéres Zeiten (1622-1673) weitaus näher als heute. Von Marc-Antoine Charpentier ist einem größeren Publikum lediglich jene Passage aus seinem «Te Deum» bekannt, die seit Jahrzehnten bei internationalen Rundfunk- und Fernsehübertragungen als Eurovisions-Erkennungsmelodie dient. Wie um daran zu erinnern, fehlte die berühmte Passage auch in Aachen nicht.
Regisseur Albrecht Hirche legt die Geschichte des Hypochonders Argan, der seinen Ärzten hörig ist und nach immer neuen Therapien giert, vorzugsweise im groben Holzschnitt an. Vorne in der Mitte der Bühne (Katrin Busching) steht ein Drehsessel aus den 70er Jahren, nach allen Seiten hin steigen unterteilte Holzsegmente an. Im Drehsessel fläzt sich Argon, zetert, döst und greint.
Hirche überdreht das commedia dell’arte-Prinzip, in dem Molières Theater wurzelte, ins Groteske, oft Plumpe. Weder Dosierung noch Timing stimmen. Und schon gar nicht der Bezug zu Charpentiers feinsinniger, bei aller Vitalität stets eleganter Musik. Dennoch amüsiert die komödiantische Mischung aus Schauspiel und Oper das Publikum prächtig.
© Constanze Schmidt/dpa