Klassiker in Gelb

admin | Posted 28/06/2007 | Preise und Events | Keine Kommentare »

Seine Produktidee begeistert noch heute Millionen Leser:
Er packte Werke großer Autoren in kleine Bücher und verkaufte diese für ein
paar Groschen. Anton Philipp Reclam, Gründer des gleichnamigen Verlages, war damals schon 60
Jahre alt. Heute jährt sich sein Geburtstag zum 200. Mal.

"Es sind in der That Ausgaben, die bei correctem Druck
und guter Ausstattung durch ihre Billigkeit Alles übertreffen, was jemals eine
Nation auf dem Büchermarkte angeboten hat!", kommentieren die
"Leipziger Nachrichten" am 11. November 1867 enthusiastisch. Das Lob
gebührte dem Leipziger Anton Philipp Reclam und seiner damals gegründeten
Taschenbuchreihe Universal-Bibliothek.

Reclam, Nachfahre einer Familie aus dem französischen
Savoyen, kommt 1807 in der Verlagsstadt Leipzig zur Welt. 21 Jahre später borgt
er sich von seinem Vater – einem Buchhändler und Verleger – 300 Taler und
gründet seinen eigenen Verlag. Jahrzehntelang verdient der geschäftstüchtige
Sachse Geld mit Bibeln und lateinischen Klassikern. In der verlagseigenen
Druckerei setzt er die Stereotypie-Technik ein, mit der er schnell und
kostengünstig hohe Auflagen herstellen kann.

Im November 1867 kommt die große Stunde für den schon
60-Jährigen: Ein neues Urheberrecht tritt in Kraft. Nach dem Tod deutscher Autoren
gilt für ihr Werk eine Schutzfrist von 30 Jahren. Das heißt: Schriftsteller,
die vor 1837 gestorben sind, dürfen allgemein und honorarfrei nachgedruckt
werden. Mit Goethes "Faust" ruft Reclam eine Klassiker-Reihe ins
Leben, die Universal-Bibliothek. Die kleinen Hefte, die in die Manteltasche
passen, kosten zwei Silbergroschen. Ein Spottpreis, der bei den Buchhändlern
wenig Begeisterung auslöste, aber bis 1917 gehalten werden konnte.

Mit der Reihe verbindet der "Herr der Hefte" auch
ein soziales Anliegen. Der Liberale will "sämtliche klassischen Werke
unserer Literatur" allen Schichten zugänglich machen und so das
Bildungsprivileg der Wohlhabenden brechen.

Am 5. Jänner 1896 stirbt Reclam im Alter von 88 Jahren.
"Nur wenige Verleger des 19. und 20. Jahrhunderts haben eine solch eigene
und eigenständige Buchkultur geschaffen wie Philipp Reclam", sagt der
Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder.
"Noch heute ist sie Inbegriff und Richtschnur des hochwertigen, preiswerten
und weit verbreiteten literarischen Buches."

Auch für den Verlag, zu dessen Gesellschaftern noch einige
Nachfahren des Gründers gehören, gelten dessen Grundsätze noch heute.
"Seinem Motto "Literatur für alle" bleiben wir treu", sagt
Verlagssprecherin Judith Krieg. Die Universalbibliothek wurde ausgebaut, hat
jetzt fünf verschiedene Unterreihen. Neben den bekannten gelben
Klassikerausgaben der deutschen Literatur gibt es nun etwa noch die "blaue
Reihe" mit Arbeitstexten für die Schule und die "rote Reihe mit
fremdsprachiger Literatur".

Reclams Nachfahren haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen
angesiedelt, der Verlag zog nach Ditzingen bei Stuttgart. Zugleich blieb der
Leipziger Ursprungsverlag bestehen, beide Häuser arbeiteten im geteilten
Deutschland getrennt voneinander. 1992 wurden sie wieder zusammengeführt. 2005
löste der Verlag den Leipziger Standort auf. Im vergangenen Jahr
erwirtschaftete Reclam einen Umsatz von etwa zwölf Millionen Euro. Drei Viertel
davon gehen auf das Konto der Universal-Bibliothek. (dpa)

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