Im Abseits
admin | Posted 13/09/2007 | Belletristik | Keine Kommentare »
Das Fussball-Sommermärchen in Deutschland hat auch eine Nachtseite – den Fanalltag. Und diesem gibt Stefan Weigl eine starke Sprache.
Das ist mehr als Pech, das ist schon Sadomasochismus. Als bekennender Fan, bekanntermaßen die Abbreviatur für Fanatiker, der Fußballmannschaft des TSV 1860 München, der so genannten “Löwen”, den Kiosk auf dem Münchner Marienplatz zu pachten und immer wieder von neuem Siegesfeiern der Kicker vom verhassten FC Bayern München hautnah zu erleben.
Lange macht das Rudi Aumiller auch nicht mit.
Er endet in der Psychiatrie und erhängt sich an einem Löwen-Fanschal.
Nun räumt seine Witwe den Kiosk aus und sinniert in einem hinreißend der Realität abgelauschten Monolog über ihren Mann, ihr Leben und darüber, was es bedeutet, lebenslang Anhänger einer so trost- wie sieglosen Mannschaft zu sein.
Fußballbegeisterte Autoren sind eine nicht zu unterschätzende Fraktion unter den Literaten. Sprichwörtlich geworden durch Peter Handkes Tormann, der Angst vor dem Elfmeter hat.
Der Engländer Nick Hornby hat seine Karriere auf autobiographischen Berichten als Kicker-Fan aufgebaut, und der Berliner Thomas Brussig schrieb vor einigen Jahren mit “Leben bis Männer” einen fulminanten Schiedsrichtermonolog. Und von Burkhard Spinnen aus Münster (Preußen Münster ist inzwischen viertklassig) arrangierte einen ganzen Erzählband um einen Torwart.
Der nach vielen Jahren als Werbetexter und Creative Director in Köln tätige Stefan Weigl lebt heute in München und ist in erster Linie Hörspielautor. 2005 erhielt er für sein Stück “Stripped – Ein Leben in Kontoauszügen” den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Im Januar 2007 wurde vom SWR sein Hörspiel "Pimp my Aufsatz" ausgestrahlt.
In seinem artistischen Buchdebüt erzählt er von der Nachtseite des deutschen Fußball-Sommermärchens, vom Verlieren und von Losern. Man vermeint Fermente der Rhetorik eines Thomas Bernhard auszumachen, weitaus stärker allerdings raffiniert verarbeitete Spuren volksnaher Autoren, eines Ödön von Horváth etwa, einer Marieluise Fleißer und, angesichts jäh explodierenden verqueren Wortwitzes, eines Karl Valentin.
Das Buch:
Stefan Weigl: Marienplatz. Einmal Löwe, immer Löwe. Tisch 7 Verlag, 2007