Abriss
admin | Posted 30/06/2008 | Belletristik | Keine Kommentare »
Der Österreichische Schriftsteller Heinz D. sorgte für Schlagzeilen mit seinen "Zugsgeschichten" und nun folgt sein großer Roman "Abriss". Urs Heinz Aerni stellte dem Schriftsteller für SEITE 4 Fragen…
Das Interview.
Urs Heinz Aerni: Ihr neuer Roman “Abriss” explodiert förmlich mit wortwuchtigem Hass. Eine Abrechnung mit alten Geschichten in der Familie. Familienromane sind momentan in Mode aber Ihr Buch rechnet ab. Warum?
Heinz D. Heisl: Familienromane wurden schon immer geschrieben, nur ist es momentan eben wieder Mode sie zu lesen; besprochen werden jedoch die feinen oder sagen wir es so, die unverfänglichen. Und da erlaube ich mir halt etwas dagegen zu stellen. Stets denkt man, die Familie wäre das letzte Rückzugsgebiet, der Zufluchtsort sozusagen…
… dem ist gemäß Ihrem Buch aber nicht so…Heisl: Genau. Und das tut weh. Und wer lange genug am Schmerz leidet, bekommt einen Hass; sowohl auf den Schmerz als auch auf den oder die Schmerzerzeuger. Und ich zeige also den Hass. Und ich zeige aber auch noch etwas anderes. Und das sollte oder kann aber jeder Leser und jede Leserin für sich selbst herauslesen.
Im letzten Buch war das Reisen mit der Eisenbahn die zentrale Kulisse, ja Bestandteil der Kurzgeschichten. Auch hier ist die Zugfahrt ein nicht unwichtiger Faktor der Geschichte. Eine Leidenschaft von ihnen oder ein stimulierendes Umfeld für Ihre Bücher?
Heisl: Ich hatte den Protagonisten ohne weiters mit dem Flugzeug reisen lassen können, aber für mich ist das Fliegen – weil es ja so schnell geht und man von hoch oben entweder nur einen Wolkensud oder einen Landbrei ausmacht – eine fantasielose Angelegenheit, des Öfteren fliege ich nach Japan und staune jedes Mal wie dreizehn Stunden lang tief unten alles immer gleich aussieht. Im Zug unterwegs zu sein wird stets aufregender und schöner bleiben; aber in Zukunft wird in meinen Manuskripten nur mehr am Rande von Zugfahrten und Eisenbahnen die Rede sein.
Man liest und sagt, dass Österreichische Gegenwartsliteratur einen eigenen und aufregenden Ton habe. Woher kommt dieser?
Heisl: Meine Erfahrung ist, dass momentan eher krampfhaft von der deutschsprachigen Literatur geredet wird; wir würden alle zusammen Autoren sein die eben in deutscher Sprache schreiben. Ich dagegen bin mir aus meiner Lesererfahrung heraus sicher, dass sowohl die Schweizer, als auch die Deutschen und Österreichischen Autoren ihren eigenen Ton haben. In Österreich ist ja die Monarchie noch immer präsent – man schaue nur auf die Titelsucht in Ämtern und Ministerien; das finden wir noch den Amtsrat, den Hofrat, den Kommerzialrat, den Regierungsrat ecetera, und das mag neben dem Katholizismus eine der Brutstätten sein; darüber hinaus lassen Fälle wie der zuletzt in Amstetten bekannt gewordene ebenfalls tief in die österreichische Seele blicken.
Sie leben nun in der Schweiz und sind selber auch Kulturveranstalter eines Literaturfestivals in Hall bei Innsbruck. Wie erleben Sie das aktuelle Geschehen in der Schweizer Literaturszene?
Heisl: Es schreiben momentan hervorragende Autoren in der Schweiz die nur darauf achten sollten, dass sie sozusagen nicht eingedeutscht, also den Deutschfassonschnitt erhalten.
Also literarische Anbiederungsgefahr?Heisl: Richtig. Als Schriftsteller hat man nach meiner Vorstellung die Aufgabe nicht im sprachlichen Gleichschritt zu marschieren, sondern zu versuchen in die Masse der Marschierer hineinzuschreiben, um sie aus ihrem Takt zu bringen.
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Heinz D. Heisl ist in Innsbruck geboren. Nach dem Musikstudium am Innsbrucker Konservatorium erhielt er den Kompositions-Wettbewerb des ORF. Nach mehreren Schallplattenproduktionen begann er 1988 mit der literarischen Tätigkeit. Nebst Auszeichnungen und Stipendiaten in Berlin, Stuttgart und Basel ist er Mitveranstalter des Literaturfestivals Sprachsalz in Hall bei Innsbruck. Nach mehreren Büchern ist sein großer Roman “Abriss” beim Dittrich Verlag in Berlin erschienen.
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