Romane im Herbst

Petra Bohm | Posted 22/07/2009 | Autoren | Keine Kommentare »

Bekannte und neue Stimmen im Chor der Literaten

In diesem Herbst melden sich ebenso viele bekannte wie auch neue Stimmen im Chor deutschsprachiger Autoren zu Wort. So unterschiedlich wie die Schriftsteller selbst sind auch ihre Themen: Von Generationskonflikten über Liebesgeschichten bis hin zum Leben im Alter reicht die Bandbreite ihrer Geschichten. Auch der internationale Buchmarkt bietet in der zweiten Jahreshälfte eine Menge neue Namen und neue Themen.

Altmeister Siegfried Lenz legt nach seinem großen Erfolg «Schweigeminute» gleich ein neues Werk nach: In «Landesbühne» erzählt er mit feinem Humor, wie eine Gruppe sympathischer Strafgefangener den Bus eines Theaters entführt und in die Rolle von Schauspielern schlüpft.
Siegfried Lenz: Landesbühne, Hoffmann und Campe, 224 S., ISBN 978-3-4550-4282-5

Der neue Roman des 83-jährigen Dieter Wellershoff – «Der Himmel ist kein Ort» – beginnt wie ein Krimi und entwickelt sich zu einem Gesellschaftsdrama. Im Mittelpunkt steht ein junger Dorfpfarrer, dessen bisherige Überzeugungen von einer sinnstiftenden Ordnung im Dies- und im Jenseits ins Wanken geraten.
Dieter Wellershof: Der Himmel ist kein Ort, Kiepenheuer & Witsch, 304 S., ISBN 978-3-4620-4134-7

Die Fans der orientalisch bunten Fantasiewelt eines Feridun Zaimoglu können sich auf ein neues Werk des in Anatolien geborenen Autors freuen: Auf «Liebesbrand» folgt in diesem Herbst «Hinterland», ein Zusammenspiel von Geschichten unterschiedlichster Menschen, die sich durch Europa bis an die Grenze der modernen Zivilisation bewegen.
Feridun Zaimoglu: Hinterland, Kiepenheuer & Witsch, 448 S., ISBN 978-3-4620-4133-0

In seinem neuen Roman «Herr Adamson» lässt der große Schweizer Erzähler Urs Widmer («Der Geliebte der Mutter») im Jahre 2032 einen Greis sein Leben Revue passieren. Die Geschichte vom Ende des Lebens wird mit der für Widmer typischen herzerwärmenden Heiterkeit dargebracht.
Urs Widmer: Herr Adamson, Diogenes, 192 S., ISBN 978-3-2570-6718-7

Ulla Hahn führt ihre Leser auch im neuen Buch «Aufbruch» in ihre rheinländische Heimat, in der ein junges Mädchen den Sprung aus engen Verhältnissen in ein neues Leben schafft. In Anknüpfung an den Bestseller «Das verborgene Wort» entwirft Hahn hier ein detailgetreues Sittengemälde der 1960er Jahre der Bundesrepublik.
Ulla Hahn: Aufbruch, Deutsche-Verlagsanstalt, 600 S., ISBN 978-3-4210-4263-7

Nach längerer Pause meldet sich «Rauken»-Autorin Claire Beyer mit einem Roman zurück. «Rohlinge» handelt von einem lettischen Jungen und dessen Resignation in der Fremde. Mit ihrem eigenwilligen melancholischen Unterton schreibt Beyer von einer Gesellschaft, die von Sprachlosigkeit geprägt ist, und von einem Leben voller zerbrechlich schöner Momente.
Claire Beyer: Rohlinge Frankfurter Verlagsanstalt, 150 S., ISBN 978-3-6270-0163-6

Eigenwilligkeit ist auch ein Markenzeichen von Brigitte Kronauer, die in «Zwei schwarze Jäger» die alltäglichen Lebensläufe mehrerer Figuren kunstvoll verstrickt, bis eine von ihnen einen Mord begeht.
Brigitte Kronauer: Zwei schwarze Jäger, Klett-Cotta, 290 S., ISBN 978-3-6089-3885-2

Ein wenig bizarr geht es gern in Helmut Kraussers Geschichten zu, so auch in seinem Roman «Einsamkeit und Sex und Mitleid», in dem er die Schicksale von unterschiedlichsten Menschen in Berlin zusammen führt. An der Mischung aus Melodramatik, Ironie und Fabulierkunst finden geübte Leser ihr Vergnügen.
Helmut Krausser: Einsamkeit und Sex und Mitleid, Dumont, 240 S., ISBN 978-3-8321-8092-8

Ironie ist die Stärke des in Köln geborenen Schriftstellers Hanns- Josef Ortheil, dessen neues Werk «Die Erfindung des Lebens» stark autobiografische Züge trägt: Neben der angesichts des Verlustes von vier Kindern verstummten Mutter wächst ein Junge als einziger überlebender Sohn auf. Der Umklammerung durch die Familie versucht er zunächst als Pianist in Rom, später als Schriftsteller zu entkommen.
Hanns-Josef Ortheil: Die Erfindung des Lebens Luchterhand Verlag, 500 S., 978-3-6308-7296-4

Autor Markus Orths legt mit «Hirngespinste» eine selbstironische Farce auf, in dem er gnadenlos entlarvt, wie der Literaturbetrieb Autoren zu Größenwahn und Anerkennungssucht verleitet. Im Mittelpunkt: der aus dem Bestseller «Klassenzimmer» allseits bekannte Lehrer Kranich beim verzweifelten Versuch, ein zweites Buch zu schreiben.
Markus Orths: Hirngespinste Schöffling Verlag, 160 S., ISBN 978-3-8956-1470-5

Spannend dürfte es werden zu lesen, was noch eher unbekannte deutsche Autoren zu erzählen haben: So berichtet David Wagner, dessen literarischen Splittern «Spricht das Kind» viel Beachtung geschenkt wurde, in dem «Supermarktroman» «Vier Äpfel» von der traurigen Schönheit alltäglicher Dinge. Dabei geht es erneut weniger um eine ausgefeilte Handlung als um genaueste Beobachtungen.
David Wagner: Vier Äpfel Rowohlt Verlag, 160 S., ISBN 978-3-4980-7368-8

Thomas von Steinaeckers «Schutzgebiet» liegt in der abgeschiedenen Festung in einer deutschen Kolonie in Afrika. Hier kommt im Jahre 1913 eine bunte Schar glückssuchender Auswanderer zusammen. Der Roman handelt von dem Aufeinanderprallen von Altem und Neuem, von dem unheilvollen Drang, der Welt einen Stempel aufzudrücken.
Thomas von Steinaecker: Schutzgebiet Frankfurter Verlagsanstalt, 380 S., ISBN 978-3-6270-0160-5

Peter Henning hat mit «Die Ängstlichen» die Chronik einer musterhaften Familie geschrieben, deren Schreck- und Glücksmomente er mit rabenschwarzem Humor beschreibt.
Peter Henning: Die Ängstlichen Aufbau Verlag, 500 S., ISBN 978-3-3510-3267-8

Der frühere Werbetexter Axel Simon hat in «Tatütata für Peter Sputnik» einen übergewichtigen Superhelden aus der Taufe gehoben, der die Welt unverhofft rettet und dabei auch noch die Frau fürs Leben kennenlernt.
Axel Simon: Tatütata für Peter Sputnik, Rowohlt 288 S., ISBN 978-3-8713-4637-8

Mit leichter Feder nimmt sich Dorothea Razumovsky eines eher schweren Themas an: In ihrem Romandebüt «Letzte Liebe» begleitet die Sachbuchautorin und Journalistin eine lebenshungrige Seniorin ins Altenheim, wo die mit Laptop, Hund, Witz und Wagemut ausgestattete alte Dame ganz überraschende Erfahrungen macht.
Dorothea Razumovsky: Letzte Liebe, Weissbooks Verlag, 145 S., ISBN 978-3-9408-8844-0

Vor allem aus dem englischsprachigen Ausland gibt es in diesem Herbst jede Menge Neues zu lesen. Der Ire Colum MacCann, dessen Nurejew-Roman «Der Tänzer» ein Welterfolg wurde, hat in «Die große Welt» ein sprach- und bildgewaltiges Gesellschaftspanorama vom New York der 1970er Jahre geschaffen.
Colum McCann: Die große Welt, Rowohlt, 544 S., ISBN 978-3-4980-4511-1

Dagegen geht Bestsellerautor Richard Powers mit seinem neuen Werk «Das größere Glück» der Frage nach, was unser Leben bestimmt. Mit dieser zärtlichen Liebesgeschichte wird er seine Fans wie schon mit dem «Klang der Zeit» bannen.
Richard Powers: Das größere Glück, Fischer, 544 S., ISBN 978-3-1005-9024-4

Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk entführt seine Leser in «Das stille Haus», in dem drei Geschwister eine Ferienwoche verbringen. In diesem frühen Roman konzentriert sich der Istanbuler auf eine verlorene Jugend, die einen Platz in der Welt sucht und nicht findet.
Orhan Pamuk: Das stille Haus, Hanser, 384 S., ISBN 978-3-4462-3400-0

Den Sound seiner Generation hat Paolo Giordano in seinem Debüt «Die Einsamkeit der Primzahlen» eingefangen. Der mit Italiens bekanntestem Literaturpreis, dem Premio Strega, dekorierte Roman erzählt von einer unvollendeten Liebe und den lebenslangen Folgen der Verletzungen in der Kindheit.
Paolo Giordano: Die Einsamkeit der Primzahlen, Blessing Verlag, 363 S., ISBN 978-3-8966-7397-8

Wie die Ereignisse einer einzigen Nacht eine Familie zerstören können, erzählt der Ire Sebastian Barry in «Ein verborgenes Leben». Die uralte Roseanne erinnert sich darin an die 1920er Jahre während des Bürgerkriegs, an ihr Leben, an Verrat und Schuld.
Sebastian Barry: Ein verborgenes Leben, Steidl Verlag, 392 S., ISBN 978-3-8652-1967-1

© Susanna Gilbert, dpa

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