Fettnäpfchen vermeiden

Petra Bohm | Posted 18/08/2009 | Ratgeber | Keine Kommentare »

mit dem «Lexikon der Benimmirrtümer». Wer weiß schon, dass das «kleine Schwarze» keinesfalls immer schwarz sein muss…

Wer meint, Benimm sei out, irrt: 95 Prozent aller Deutschen halten gute Umgangsformen für wichtig oder sogar für sehr wichtig. Das jedenfalls meint Nandine Meyden, die MDR-Zuschauern als Etikette-Trainerin wohl vertraut ist. Seit 2005 führt sie im Fernsehen vor, wie man es vermeidet, ins Fettnäpfchen zu treten. Auch wenn sich einiges seit Freiherr von Knigges «Über den Umgang mit Menschen» verändert hat, geblieben ist: Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu blamieren. In ihrem Buch «Lexikon der Benimmirrtümer: Populäre Fettnäpfchen und wie man sie umgeht» füllt Meyden über 300 Seiten mit den geläufigsten Gelegenheiten, auf dem gesellschaftlichen Parkett auszurutschen.

Wie es sich für ein Nachschlagewerk gehört, ist das Buch in Sachgebiete eingeteilt, am Ende gibt es ein umfangreiches Schlagwortregister. So kann man sich auf nahezu alle Situationen des Alltags vorbereiten. Jedes Kapitel beginnt mit einem Fragenkatalog. Wer ihn beantwortet hat und mit den Lösungen am Schluss des Buches vergleicht, wird gleich feststellen, wie sattelfest er in Stilfragen ist.

Da gibt es die Regel, dass eine wichtige Person immer rechts zu gehen hat. Leicht zu merken, denn die Autorin nennt den historischen Hintergrund: Früher trug der Herr auf der linken Seite den Degen, den musste er mit der Rechten ziehen können, die Dame erhielt den Platz, an dem sie nicht Gefahr lief, über den Degen zu stolpern. Die Regel gilt auch für Sitzordnungen, der beste Platz befindet sich immer rechts vom Gastgeber. Man hüte sich davor, beim Begrüßen dem Gegenüber nicht nur innig die Hand zu schütteln, sondern ihn hierbei auch noch mit der Linken fest am rechten Oberarm zu umgreifen: Eine solche besonders bei männlichen Politikern beliebte Geste werde oft als Eindringen ins Territorium des Begrüßten empfunden und wirke schnell autoritär, warnt Meyden.

Die richtige Kleidung zum richtigen Anlass ist ebenfalls ein heikles Thema, denn wer traut sich schon, einem Gast oder einem Geschäftspartner offen ins Gesicht zu sagen, dass er mit seinem gewählten Outfit völlig danebenliegt. «Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck», sagt Meyden, und entsprechend umfangreich sind ihre Empfehlungen für korrekte Bekleidung zu allen Gelegenheiten. Denn da gibt es viel falsch zu machen: Wer weiß schon, dass das «kleine Schwarze» keinesfalls immer schwarz sein muss, oder dass ein «Black Tie» mitnichten eine schwarze Krawatte ist, sondern dieser Hinweis auf einer Einladung bedeutet, dass der Herr im Smoking zu erscheinen hat? Kompromisslos ist die Trainerin, wenn es um die Frage der kurzärmligen Hemden oder jene geht, ob die Business-Lady im Sommer die Strümpfe weglassen darf: Beides geht gar nicht.

Interessant an dem Buch sind auch Veränderungen im Zuge des Einstiegs von Frauen in das Geschäftsleben: Heute zahlt die Rechnung, wer einlädt, egal ob Mann oder Frau. Begrüßt wird nicht mehr nach Geschlecht, sondern grundsätzlich nach Rang. Das gilt auch für die Reihenfolge, in der man sich gegenseitig vorstellt. Höchstkompliziert sind die Regeln, die für eine korrekte Sitzordnung gelten, da hilft nur wiederholtes Nachschlagen vor dem Ereignis.

Das Vermeiden unnötiger Floskeln ist der Autorin besonders wichtig: Ihr ist das weit verbreitete «Gesundheit» beim Niesen des Gegenübers ein Graus – ebenso wie die Ankündigung einer Tischrede durch Klopfen des Löffels an das Glas. Zum Glück gibt es auch Regeln, die sich von selbst verstehen: Pünktlichkeit etwa sollte auch heute noch eine Selbstverständlichkeit sein, und Essen mit den Fingern ist nur erlaubt, wenn eine Fingerschale auf dem Tisch steht. Unverkrampft sollte man nach Meinung der Autorin mit peinlichen Situationen umgehen, in die Mitmenschen geraten. Es sei allemal besser, den Chef diskret auf seine offen stehende Hose aufmerksam zu machen, als den Ärmsten vor lauter eigener Genierlichkeit den ganzen Tag so herumlaufen zu lassen.

Meyden bietet mit ihrem Brevier eine vergnügliche, alltagstaugliche und lehrreiche Lektüre. Dabei macht es sie noch sympathischer, dass sie selbst nicht vor Fettnäpfchen gefeit ist: Coco Chanel jedenfalls würde es nicht gefallen, wüsste sie, dass ihre Erfindung des «kleinen Schwarzen» ins 19. Jahrhundert verlegt wurde.
©Susanna Gilbert-Sättele/dpa

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