Beatrice von Weizsäckers Interesse für Politik

Petra Bohm | Posted 07/09/2009 | Politik und Gesellschaft | Keine Kommentare »

Wenn die Tochter des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker behauptet, sich nicht für Politik zu interessieren, kann das nur ein Kunstgriff sein…

Und so ist der Titel ihres Sachbuches für Politik- und Wahlmüde «Warum ich mich nicht für Politik interessiere» auch eher satirisch zu sehen. Allerdings räumt Beatrice von Weizsäcker ein, dass sie diejenigen versteht, die nicht mehr zuhören wollen, wenn es Politikern in erster Linie um ihre eigene Partei und nicht um die Sache geht. Doch sie will Lust auf Einmischung und Lust auf Politik machen.

Für sich selbst hat die 1958 in Essen geborene Journalistin einen eigenen Weg gefunden: Sie engagiert sich in politischen und kirchlichen Organisationen, deren Themen und Anliegen ihr wichtig sind. So gab sie zum Beispiel ihre Stellung als politische Redakteurin beim Berliner «Tagesspiegel» auf und wechselte zur seinerzeit neu gegründeten Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter. Sie ist Mitglied im Präsidium des Ökumenischen Kirchentages und gehört dem Vorstand der Theodor-Heuss-Stiftung an.

Doch Beatrice von Weizsäcker streicht ihr eigenes Engagement nicht besonders heraus, auch wenn sie ihren parteipolitisch unabhängigen Werdegang erläutert. Sie berichtet aber vor allem über ganz unterschiedliche Menschen, die durch ihre Haltung oder ihr besonderes Engagement ein Beispiel gaben und geben. Willy Brandts Kniefall im Warschauer Ghetto kommt da zur Sprache, aber auch ein Dresdner Fanprojekt, das sich gegen Gewalt unter Fußballfans einsetzt.

Die Politik-Journalistin analysiert die Parteipolitik schonungslos. Sie erinnert auch an Statistiken, wonach die Hälfte der Mitglieder der großen Volksparteien älter ist als sechzig und die Linke zu siebzig Prozent aus Rentnern besteht. Dann aber führt Beatrice von Weizsäcker eine schier unüberschaubare Zahl von guten Beispielen für Bürgerengagement ins Feld, um Resignation und Politikmüdigkeit zu bekämpfen. Willy Brandts Motto «Mehr Demokratie wagen» sieht sie als konkrete Aufforderung für jeden, sich einzumischen.

Allerdings räumt die Autorin auch ein, dass der Staat nur zu gern bereit ist, Bürgerengagement zu loben, wenn es ihn von seinen Aufgaben entlastet, wenn es um Nachbarschaftshilfe geht, zum Beispiel bei der Pflege alter Menschen oder Schularbeitenhilfe für Kinder und Jugendliche. Auch das eindringliche Plädoyer zu mehr Mitgestaltung in diesem Buch könnte stellenweise fast als Aufforderung missverstanden werden, mit Wohltätigkeit anstelle von Sozialpolitik vorlieb zu nehmen oder die Demokratie in einer Internetnische weiterzuentwickeln.

Doch das Buch schließt mit einem Forderungskatalog, der in der etablierten Politik einigermaßen unpopulär sein dürfte, und der eindeutig klar macht, dass es hier um einen Schwenk in der gesamten Politik geht. Mehr Transparenz wird da gefordert, Volksabstimmungen auf Bundesebene oder Mitbestimmung bei der Aufstellung der Landeslisten. «Lebt für die Politik, nicht von ihr! Nicht für die Macht, sondern für die Sache», schreibt Beatrice von Weizsäcker den Politikern ins Stammbuch.
© Katrin Börner/dpa

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