Das Geheimnis des weißen Bandes
admin | Posted 07/03/2012 | Krimi | Keine Kommentare »Machen wir mal einen Test: Schließen Sie kurz die Augen und stellen Sie sich einen klassischen Detektiv vor. So. Lassen Sie mich raten: er trägt einen Mantel, eine karierte Deerstalker-Mütze, raucht Pfeife und hat einen kleinen, dicklichen Assistenten mit Schnauzbart. Nein, ich bin kein Hellseher. Aber es gibt nun mal nur den einen Detektiv in der Literaturgeschichte: Sherlock Holmes.
Nun ist das mit modernen Nachfolgeromanen von Werken bereits verstorbener Autoren ja nicht so einfach. Mal funktioniert das wunderbar, so wie bei Erich von Lustbader, der die Jason Bourne-Reihe von Robert Ludlum zu Ende bringt, mal geht der Schuss trotz immenser Publicity ganz nach hinten los (man erinnere sich an dieser Stelle an die “Vom Winde verweht”-Fortsetzung Anfang der 90er Jahre).
So oder so, solch ein Nachfolgeroman ist immer erst mal ein äußerst sensibles Thema, vor allem bei der Leserschaft. Wenn es sich dann noch um die Abenteuer eines solch berühmten Helden wie den Meisterdetektiv Sherlock Holmes handelt, kann ein Autor entweder seinen Ruf gänzlich verspielen oder zum offiziellen Helden aller Anhänger des Originals werden.
Nach nicht ganz 100 Jahren hat Anthony Horowitz – bisher am meisten wohl durch seine “Alex Rider”-Romane bekannt – den offiziellen Segen der Erben von Sherlock Holmes-Autor Sir Arthur Conan Doyle für einen solchen Nachfolgeroman bekommen. Und soviel sei schon verraten: selbst die treuesten Sherlock Holmes-Fans werden “Das Geheimnis des weißen Bandes” wohl lieben.
Statt eine eigene Welt zu kreieren, hält sich der neue Holmes-Autor sehr eng an die Originalgeschichten. Vor allem sprachlich, und es wird den Freunden des Meisterdetektivs wohl die ein oder andere Freudenträne in die Augen treiben, wenn sie die Geschichte – wie im Original – direkt aus der Feder des treuen Begleiters Holmes’, Dr. John Watson, erzählt bekommen:
Alles fängt damit an, dass an einem sehr kalten Novemberabend ein vornehmer Herr die Baker Street 221b aufsucht: der Galerist fühlt sich verfolgt und beobachtet, denn er hat einst ein Kopfgeld auf einen hochkriminellen Räuber ausgesetzt, der ihm wertvolle Gemälde gestohlen hatte. Es kommt wie so oft: der Fall scheint eigentlich schon gelöst, da tut sich plötzlich ein viel größeres Loch auf. Alles hängt mit einem “House of Silk” zusammen, von dem niemand weiß, ob es eine Verbrecherorganisation, ein Geheimbund oder eine Gruppe von Verschwörern in Regierungskreisen ist. Genau das richtige Rätsel für Sherlock Holmes – nur, dass er sich diesmal vielleicht doch mit den falschen Leuten angelegt hat…
Auch wenn der Aufbau der Geschichte sich sehr stark am Werk von Doyle orientiert, ist “Das Geheimnis des weißen Bandes” doch eine abenteuerliche Achterbahnfahrt und spannend bis zum Schluss. Alle Krimi-Fans dürfen also die Sektkorken knallen lassen, denn Sherlock Holmes ist tatsächlich wieder zurück!
Wir wissen leider nicht, was die Doyle’schen Erben nach diesem geglückten Streich vorhaben. Eines möchten wir ihnen aber gerne zurufen: bitte mehr davon! Und weil das aktuelle Buch all das ausmacht, was wir an den alten Geschichten lieben, empfiehlt sich direkt die Lektüre der Originale. Es bleibt wohl dabei: es gibt nur den einen Detektiv in der Literaturgeschichte.
Text: Dominik Roth