Endlich verstehen, was alle angeht

Books | Posted 14/10/2012 | Orell Füssli, Politik/Wirtschaft, Sachbuch | Keine Kommentare »

Wer den Wirtschaftsteil seiner Zeitung ungelesen beiseite legt, hat entweder keine Aktien, mag keine Hiobsbotschaften mehr hören – oder fühlt sich von monetären Fachsimpeleien überfordert. Glücklicherweise gibt es viele Bücher, die einem bei diesem wichtigen Thema den Durchblick eröffnen…

Text: Erik Brühlmann

Ein kurzer Blick in die Tageszeitungen genügt, um zu wissen: Wir befinden uns in einer Krise. Griechenland lebt von der Hand in den Mund, Spanien, Portugal, Irland und Italien wissen kaum mehr, wie hoch ihre Schuldenberge sind, die Geschäfte der Industrie in der Eurozone sind rückläufig und die US-amerikanische Wirtschaft liegt hechelnd am Boden. Es werden Euro-Rettungsschirme panikartig aufgespannt und Ad-hoc-Lösungen hitzig diskutiert. Man wird das Gefühl nicht los, dass Politik und Wirtschaft verzweifelt versuchen, einen morschen Kahn mit Klebstreifen zusammenzuflicken, statt ihn aus dem Wasser zu ziehen und grundsätzlich zu überholen. Aber vielleicht täuscht uns Laien der Ein- druck bloss. Was wissen wir denn schon über die Krise, die Börse, die Irrungen und Wirrungen des Finanzmarkts und über Wirtschaft ganz allgemein? Nichts! Aber wie so oft findet man Hilfe bei Büchern: Sie können Licht in den dunklen Wirtschaftsdschungel bringen.

Ein paar Grundlagen
Wer wirtschaftlich ganz und gar unbefleckt ist, tut wohl gut daran, sich erst einmal ein wenig Basiswissen zu verschaffen. Genau dieses bietet «Odysseus und die Wiesel: Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte». Autor Georg von Wallwitz ist nicht nur Fondsmanager, sondern auch Mathematiker und Philosoph – also einer, der dem Klappentext-Versprechen «Er beschreibt auf menschenfreundliche Art komplizierte Dinge» gerecht werden sollte. In der Tat gewinnt von Wallwitz seine Leserinnen und Leser schon im Vorwort für sich, denn dort hält er fest: «Nicht nur Laien, sondern auch die Mehrheit der Teilnehmer haben am Börsenspektakel grosse Verständnisschwierigkeiten.» Endlich gibt es jemand zu: Die Finanzmärkte wirklich zu verstehen, ist unendlich schwer! Trotz- dem gibt sich der Autor alle erdenkliche Mühe, einem Laienpublikum die Materie auf eine erfrischend direkte und humorige Weise näher zu bringen. So erfährt man, dass wir das Papiergeld dem Engländer John Law zu verdanken haben – einem Spieler, ausgerechnet!; dass sich Aktienkurse, auch wenn so mancher es behauptet, nicht voraussagen lassen; und dass ein Begriff wie «Mikroeffizienz» und «Makroeffizienz» nur «eine hübsche Formulierung für das Nicht-Weiterwissen ist». Welche Rolle spielen bei diesem Rundumschlag die Wiesel aus dem Titel? Bei der Beschreibung der Börsenberufe: «Wie das Wiesel wird der Fondsmanager – wie jeder andere Akteur an den Finanzmärkten auch – sich immer wieder auf Dinge einlassen, die ihn im Grunde völlig überfordern.» Doch um es klar zu stellen: von Wallwitz ist in seinem Buch weder böse noch gehässig. Er ist einfach schonungslos ehrlich, nennt die Dinge beim Namen und gibt auch zu, dass so manches, was an den Finanzmärkten geschieht, einfach nur auf Zufall basiert.

Die Wurzel allen Übels
Beschäftigt man sich mit der Wirtschaft, wird man früher oder später auf das unschöne Wort «Schulden» stossen – egal, ob es nun um Staatsschulden, Kreditkartenschulden oder Kredite geht. Macht jemand, zum Beispiel ein Staat, zu viele Schulden, endet das irgendwann im finanziellen Desaster. Das zeigt gegenwärtig das Beispiel Griechenland. Mit diesem alles beherrschenden Geldthema befasst sich «Schulden. Die ersten 5000 Jahre» von David Graeber. Der amerikanische Ethnologe legt ein monumentales Werk vor. Es beginnt fast bei Adam und Eva, nämlich im alten Mesopotamien, und es zeigt auf, dass Geld, Schuld(-en) und Moral zu allen Zeiten untrennbar miteinander verbunden waren. Dass der Krieg nicht nur vieles zerstört, sondern auch Finanzmärkte aufbaut, ist ebenfalls ein Thema des Buchs: «Mit der Gründung von Zentralbanken wurde die Verschmelzung der Interessen von Kriegsherren und Geldgebern (…) dauerhaft institutionalisiert. Diese ‹Interessengemeinschaft› schuf schliesslich die Grundlage für den Finanzkapitalismus.» Interessant ist auch Graebers Blick hinter die Kulissen des US-amerikanischen Bankensystems, wo Geld nicht vom Staat gedruckt wird, sondern von der Federal Reserve – in einem recht komplizierten System, das Dollarscheine unter dem Strich zu Schuldscheinen macht. Das Buch trägt vielleicht nicht direkt dazu bei, die missliche Wirtschaftslage zu verstehen. Doch es ist ein äusserst interessanter, verständlich geschriebener «Rundumschlag» zum Thema Schulden.

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Titel:
Odysseus und die Wiesel: Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte

ISBN-13:
9783937834481

Autor:
Georg von Wallwitz

Verlag:
Berenberg

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