Frisches Blut

Books | Posted 26/04/2013 | Krimi, Orell Füssli | Keine Kommentare »

Grosse Namen zum Frühlingsbeginn: Krimifans bekommen lang ersehntes Lesefutter von Jussi Adler-Olsen, Arne Dahl, James Patterson und weiteren Autoren…

Text: Benjamin Gygax

Wer gern politische Thriller mit einem Schuss Verschwörung liest, sollte sich gleich über das neue Buch von Jussi Adler-Olsen hermachen. Genau ein solcher ist nämlich der dicke Wälzer «Das Washington Dekret» des erfolgreichsten dänischen Schriftstellers. Wie der Titel vermuten lässt, handelt die Geschichte in der Politikerwelt der US-amerikanischen Hauptstadt.

Die USA am Abgrund
Bruce Jansen ist demokratischer Senator und befindet sich auf der Zielgeraden für das Präsidentenamt. Einer seiner Kampagnen-Trümpfe ist seine Frau Mimi Todd Jansen, die sich mit sicherem Tritt auf dem öffentlichen Parkett bewegt und die Herzen der Wähler zu gewinnen weiss. Als die Jansens kurz vor der Entscheidung auch noch bekanntgeben können, dass sie ein Kind erwarten, ist dem Senator die Wahl eigentlich sicher. Und dann geschieht das Unglaubliche: In der Wahlnacht schiesst ein Hotelangestellter auf das Präsidentenpaar und tötet die First Lady und ihr ungeborenes Kind.

Was auf dieses Attentat folgt, erzählt Adler-Olsen aus der Sicht des Mitarbeiterstabs von Präsident Jansen. Dazu gehört auch die junge Dorothy Rogers, genannt Doggie. Tatort war ausgerechnet das Hotel ihres konservativen Vaters – und der Täter war einer seiner Mitarbeiter. So gerät Doggies Vater unter Verdacht, zum Mordanschlag angestiftet zu haben. Als ob das nicht genug wäre, spitzen sich die Ereignisse weiter zu: Bruce Jansen, für den der Verlust nicht der erste schwere Schicksalsschlag ist, entwickelt sich zum politischen Amokläufer. Der liberale Politiker entwickelt das «Washington-Dekret», das jeden Grundsatz der amerikanischen politischen Kultur auf den Kopf stellt: «Strenge Restriktionen für vorschriftsmässig arbeitende Waffenfabriken, Zwangsablieferung von Munition, Zwangsentlassung von Arbeitskräften, generelle Ausweispflicht, strenge Zensur der Medien …» Dass rechtsnationale Milizen zum Aufstand blasen und sich politische Attentate häufen, trägt nur dazu bei, die Notstandsmassnahmen durchzusetzen. Als Doggie auch noch beschuldigt wird, den Vizepräsidenten angegriffen zu haben, muss sie fliehen – mit der Hilfe einiger weniger verbleibender Freunde kämpft sie darum, eine politische Verschwörung aufzudecken und die Hinrichtung ihres Vaters zu verhindern.

Unbeliebter Republikaner, demokratischer Hoffnungsträger, eingeschränkte Bürgerrechte … Das alles klingt ein bisschen wie aus der jüngsten Geschichte entlehnt. Aber zu viel Realismus darf man von Jussi Adler-Olsen nicht erwarten. Wenn man vor Augen hat, wie zäh es wirklich ist, die Waffengesetze auch nur ein bisschen zu verschärfen, dann wirkt die Durchsetzung des Washington-Dekrets doch recht illusorisch. Trotzdem herrscht Hochspannung – und es macht Spass, den Protagonisten bei den Ränkespielen im Stab und in den Ministerien über die Schulter zu schauen.

Das Buch zum Film
Wahlkampf herrscht auch bei «Das Verbrechen», nämlich um das Amt des Oberbürgermeisters von Kopenhagen. Doch das Buch von David Hewson und Søren Sveistrup soll hier aus einem anderen Grund vorgestellt werden: Immer wieder mal werden erfolgreiche Kriminalromane verfilmt – die bekanntesten Beispiele dafür sind wohl die Wallander-Verfilmungen und die Millenium-Trilogie von Stieg Larsson. Im Fall von «Das Verbrechen» verhält es sich für einmal genau umgekehrt. Unter diesem Titel produzierte nämlich der Dänische Rundfunk eine Serie, die ab 2007 im Fernsehen lief. Sie brachte es auf 40 Folgen in drei Staffeln und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Die Serie kreist um eine fiktive Kopenhagener Polizeistation und Kommissarin Sarah Lund, dargestellt von Sofie Gråbøl. «Sarah Lund war 38, eine ernste Frau, die unablässig die Welt um sich herum betrachtete, nie sich selbst.» Die nüchterne Polizistin mit dem schwarz- weissen Norwegerpulli hat inzwischen auch im deutschsprachigen Raum eine grosse Fangemeinde – die dritte Staffel startete im Februar 2013 auf ZDF.

Und jetzt erscheint also ein Buch, das zwar mit dem Fernsehfall nichts zu tun hat, aber alle Freunde der Kopenhagener Polizistin freuen wird: Der Krimi ist ein klassischer «Whodunit», ein «Werhatesgetan» – also eine Geschichte, die mit einem Mord beginnt und den Spuren seiner Aufklärung folgt. Lund ist gerade dabei, ihre Sachen zu packen, um mit ihrem Sohn Mark nach Schweden zu ziehen, als sie – sozusagen mit ihren Bürosachen unter dem Arm – doch noch in einen scheusslichen Mordfall rutscht. Eine Gymnasiastin wird vermisst und kurz darauf missbraucht und grausam ermordet aufgefunden. Sie liegt in einem schwarzen Lieferwagen, der dem Wahlkampfteam des politischen Herausforderers um das Amt des Oberbürgermeisters gehört. Der jugendlich-dynamische Troels Hartmann ist gerade dabei, den alten Fuchs Poul Bremer, Oberbürgermeister von Kopenhagen seit zwölf Jahren, ein korpulenter, gemütlicher Politiker, aus seinem Amt zu drängen. Dabei kann er die Verwicklung in einen Mordfall so gut brauchen wie Pest oder Cholera. Ob er mit dem Verbrechen wirklich etwas zu tun hat, soll hier natürlich nicht verraten werden. Das Buch erscheint übrigens auch als Hörbuch. Gelesen wird es von Anneke Kim Sarnau, die man als Rostocker Kommissarin Katrin König aus der Serie «Polizeiruf 110» kennt.

Globalisiertes Verbrechen
Bleiben wir in Skandinavien. Arne Dahl erfreut seine zahlreichen Leserinnen und Leser mit einem neuen Buch: «Zorn». Der schwedische Autor, der eigentlich Jan Arnald heisst, ist Literaturwissenschaftler und arbeitet für die Schwedische Akademie, die alljährlich den Nobelpreis vergibt. Bekannt wurde er 1998 mit einer Krimireihe über die Sonderermittler der «A-Gruppe» mit ihren Chefs Paul Hjelm und Kerstin Holm. Die Polizisten mussten sich um spezielle Fälle kümmern, die eine internationale Dimension vermuten liessen – und sie machten sich unter den Leserinnen und Lesern viele Freunde. Nach zehn Fällen ging Arne Dahl einen Schritt weiter: Die A-Gruppe wurde aufgelöst, und viele ihrer Mitglieder zogen nach Den Haag, um bei Europol die nicht offiziell existierende «Opcop-Gruppe» zu verstärken.

Jetzt geht es also definitiv darum, das globalisierte Verbrechen zu bekämpfen. 2012 erschien der erste Opcop-Roman «Gier». Er belegte monatelang die Spiegel-Bestsellerliste. Mit von der Partie waren bekannte Figuren wie Paul Hjelm, Kerstin Holm, Jorge Chavez und der schrullige Arto Söderstedt, aber auch Polizisten aus Deutschland, Polen, Litauen, Griechenland, Spanien und Frankreich. Damit schuf sich der Autor eine Spielwiese für das, was er so gut kann und was wir an seinen Büchern lieben: Charaktere mit Ecken und Kanten treffen in einem Team zusammen, um sich in mühsamer Arbeit durch das Dickicht eines ungelösten Falls zu schlagen. Das ist immer spannend und oft auch witzig.

In «Zorn» wird die Opcop-Gruppe eingeschaltet, als ein hoch qualifizierter plastischer Chirurg erhängt gefunden wird. Alles deutet zunächst auf einen Selbstmord hin, doch weil der Arzt für ein geheimes Forschungsprogramm arbeitete, mit dem Terroristen nach plastischen Gesichtsoperationen erkannt werden sollten, schaut die Polizei genauer hin. Kurz darauf stirbt ein albanischer Waffenhändler in einer Stockholmer Kneipe im Kugelhagel eines eiskalten Killers, und auf der ehemaligen italienischen Gefangeneninsel Capraia wird ein kommunistischer Politiker aus Tschechien erstochen aufgefunden. Die scheinbar unzusammenhängenden Fälle könnten nach Ansicht von Hjelms Team doch Verbindungen aufweisen – und ihre Ermittlungen führen sie in die Vergangenheit, auf die Spuren einer jahrzehntelangen Rache. Wer schon mal eines von Arne Dahls Büchern gelesen hat, weiss: Sie sind nichts für zarte Gemüter. Sie gehören zwar nicht zum Gen- re der blutigen «Schlachtplatten», aber bei Dahls Tätern sind die Emotionen stark und das Leiden, das sie zufügen, gross.

Crime and the City
Im Dunkeln lauert der Neid, schreibt der Verlag von «Das 10. Gebot». Neid dürfte seinem Autor bekannt sein, denn James Patterson ist gemäss dem Magazin «Forbes» der momentan bestverdienende Autor überhaupt. Bekannt wurde er mit seiner Serie um den Washingtoner Polizeipsychologen Alex Cross. 76 seiner bisher 102 Bücher schafften es auf die Bestsellerliste der «New York Times». Er verkauft zwar etwas weniger Bücher als die Spitzenreiterin J. K. Rowling mit ihren 400 Millionen verkauften «Harry Potter», verdient aber nach Schätzungen mit 94 Millionen Dollar pro Jahr am meisten. Einen solchen Erfolg schafft man nur, wenn man nichts dem Zufall überlässt. Der ehemalige Werber Patterson hat die volle Kontrolle über seine Bücher. Er bestimmt die Gestaltung der Umschläge und die Erscheinungstermine, lässt auch gern andere mitschreiben und bezahlt sie dafür.

Auch «Das 10. Gebot» hat Patterson mit einer Co-Autorin verfasst. Maxine Paetro unterstützt den Bestseller-Autor in seiner Reihe «Women’s Murder Club», zu der auch das soeben erschienene Buch gehört. An wen es sich vor allem richtet, erkennt man sofort. Die Ich-Erzählerin, Detective Lindsay Boxer, heiratet. Doch der Tag, an dem die harte Ermittlerin Mrs. Joseph Molinari wurde, rückt schnell in den Hintergrund. Der Arbeitsalltag holt sie nach den Flitterwochen mit einem schrecklichen Fall ein: Die 15-jährige Avis Richardson wird schwer verletzt auf der Strasse gefunden. Sie hatte vor wenigen Stunden ein Kind geboren, doch das Neugeborene ist und bleibt verschwunden, genauso wie der Täter. Die Spannung steigt, als sich weitere Angriffe auf Frauen häufen und als sich zeigt, dass auch Avis ihre Geheimnisse hat. Die Ermittlungen beginnen, Lindsays Privatleben zu beeinflussen, und die junge Polizistin überlegt sich ernsthaft, ob sie je- mals Kinder haben sollte. Wie es sich für ein Buch von Patterson gehört, findet sich bis zur letzten Seite auf alle Fragen eine Antwort.

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Titel:
Das 10. Gebot - Women's Murder Club -: Thriller

ISBN-13:
9783809026105

Autor:
James Patterson

Verlag:
Limes Verlag

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