Darum schreibe ich – Thomas Meyer

Books | Posted 12/05/2013 | Autoren, Belletristik, Orell Füssli | Keine Kommentare »

Schweizer Autorinnen und Autoren erzählen in «Books», warum sie schreiben. Thomas Meyer, 1974 in Zürich geboren, arbeitet seit 2006 selbstständig als Autor und Texter. Zuvor war er in Redaktionen und Werbeagenturen tätig. 2012 erschien sein Debütroman, der für den Schweizer Buchpreis 2012 nominiert wurde…

Ich schreibe, weil ich muss. Damit meine ich keine selbstauferlegte Pflicht, sondern eine der Seele, die leidet, wenn ich dieser Aufgabe nicht nachgehe, und die jubiliert, wenn ich sie erfülle. Es gibt nichts, was ich lieber mache, als zu schreiben, und ich wäre bereit, alles dafür zu geben. Bloss mein Sohn ist mir noch lieber als das Schreiben. Diese Radikalität ist sehr angenehm, denn sie befreit mich von diversen Fragen. Beispielsweise von jener, was noch aus mir werden soll. Darüber muss ich mir schon lang keine Gedanken mehr machen. Wie auch nicht darüber, wie ich mich mit den unsäglichen Launen arrangieren soll, welche die Leute jeden Tag in die Büros dieser Stadt hineintragen. Denn ich arbeite seit sechs Jahren selbstständig und damit ausserhalb jeglicher energetischen Schussdistanz.

Ich schreibe aber nicht, um meine Ruhe zu haben. Die Ruhe ist bloss ein schöner Nebeneffekt des Schreibens, das in meinem Empfinden keine Reaktion sein kann auf die Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, obschon diese als Thema wiederum bestens taugt. Schreiben ist auch keine Entscheidung, die man rational trifft. Vielmehr ist es ganz einfach und wie schon gesagt ein Auftrag, den einem das Innerste erteilt. Vielleicht ist das Wort Berufung so gemeint: Man wird innerlich zu einer Tätigkeit berufen. Dieser Ruf ist anfangs noch leise und undeutlich, ein seltenes Flüstern bloss. Wohl habe ich mich immer für Sprachen interessiert, aber ein Interesse ist noch keine Berufung.

Erst mit etwa 20 Jahren, wenn es um eine Berufswahl geht, meldet sich die Seele ernsthaft zu Wort und empört sich, wenn der junge Mensch sie etwa an die Universität schleppt: Was soll das, was machst du hier, was willst du da, ruft die Seele dann, doch weil der junge Mensch keine Alternative hat zur juristischen Laufbahn, welche die Hochschule für Angewandte Psychologie nach einem teuren Prüfverfahren als den idealen Weg empfohlen hat, trägt er die Seele eben weiterhin in die entsprechenden Vorlesungen, wo sie empört herumnörgelt.

Dieses Nörgeln, das nur erklingt, wenn man etwas tut, das nicht zu einem passt, muss man ernst nehmen. Die Klänge, die in einem entstehen, sollten stets freudige, helle und leichte sein, nicht schwere und finstere. Ob es nun um die Wahl eines Berufs oder eines Partners oder auch nur schon um die eines Restaurants geht: Wenn die Seele nachher schimpft, hat man danebengegriffen und sollte weitergehen.

Es wird Leute geben, die ein Verhalten, das sich allein nach dem Klang der Seele richtet, für launisch und unstet halten, und sie haben recht. Doch wer die Arbeit finden will, die für ihn vorgesehen ist, muss dem Ruf der Seele, eben der Berufung zuhören. Und das hat nun einmal zur Folge, dass man immer wieder weitergeht – bis man dort gelandet ist, wo man hingehört. An einem Ort, der keine Alternativen mehr offerieren kann. In einem Wort: am Ziel.

Darum schreibe ich. Weil ich nicht mehr anders kann. Und das ist gut so.
Doch wie alle Berufungen, die diesen Namen verdienen, ist auch diese umfassend. Ich schreibe immer. Wenn ich nicht gerade etwas in den Computer tippe, denke ich an Sätzen und Themen herum. Liege ich am Strand, überlege ich, wie ich den Sand beschreiben würde; wandere ich in den Bergen, sind diese das Objekt zahlreicher spontaner Formulierungen.

Es wird Leute geben, die sagen, dass man mit einem solchen Menschen nicht zusammen sein könne, weil er bereits verheiratet sei, und zwar mit seiner Arbeit. Auch sie haben recht. Die Liebe gilt zuerst dem Schreiben und erst dann einer Frau. Der Autor findet sich irgendwann damit ab. Aber erklären Sie das mal einer Frau.

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Titel:
Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse

ISBN-13:
9783905801590

Autor:
Thomas Meyer

Verlag:
Salis

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