Abfahrt für alle
Warum Suhrkamp jetzt ins E-Bike-Geschäft einsteigen sollte
Das E-Bike kündigt sich derzeit auf besonders großen Plakaten an. Beworben werden motorgetriebene Fahrräder, die nicht mit Benzin, sondern mit Strom aus der Steckdose schnurren. Die Hersteller setzen damit auf die nicht ganz so sportlichen, aber grün-orientierten Mittelschichten, die akademisch gebildet sind, Kinder haben oder Kinder wollen und deshalb den Planeten Erde mindestens so hinterlassen wollen, wie sie ihn vorgefunden haben.
Weil dieses Marktsegment zugleich eng mit dem Internet verbunden und smartphone-affin ist, sollen die E-Bikes gleich als iBikes auf den Markt gebracht werden. Die Autofirma Smart macht es vor.
Wie die Branchen-Fachleute von ebike-info berichten, gehört beim smarten Fahrrad “ein USB-Anschluss, der die Stromversorgung verschiedenster Zubehörteile und Erweiterungen garantiert, genauso zur Ausstattung, wie eine optionale Smartphone Halterung für mobile Endgeräte und eine eigens entwickelte iPhone-App, mit der das Smartphone zur E-Bike-Informationszentrale werden soll.“
Wer sich mit Apps für Fahrradfahrer oder Sportler auskennt, der weiß: Hier geht es nicht um futuristisch ausgefallene Ideen. Was Smart auf den Markt bringt, ist das längst überfällige nächste große Ding.
Das kann es auch für die nächste Literatur sein. Wenn das Fahrrad zu einem interaktiven Sport- und Infotainment-Center hochgerüstet wird, das von akademisch vorgebildeten, nicht ganz so sportlichen, aber grün-orientierten Mittelschichtlern bewegt wird, dann sollten die Verlage hellhörig werden. Denn hier geht es um ihr Klientel. Und es geht um die Möglichkeit, das Fahrrad für diese letzte echte Buchkäuferschicht als literarischen Ort zu besetzen.
Aber was genau könnte ein Verlag machen? Hier ein paar Ideen. Zum Beispiel für Suhrkamp.
1. Das E-Bike ist das ideale Medium zum Konsumieren von Hörbüchern.
Die Festplatte eines E-Bikes von Suhrkamp könnte ab Werk die 100 wichtigsten Titel der Backlist abrufbereit halten, die man beim Fahren hören kann. Das sind dann 4000 Stunden beste Literatur on the Road. Claim: “Von Adorno bis Žižek. Das reicht von Flensburg bis Kapstadt”.
2. Mit dem E-Bike wird der Autor zum Fahrer und umgekehrt.
Suhrkamp schickt seine fittesten Autoren auf E-Bike-Lesetour. Die machen nicht nur in den Städten halt, um dort ihre neuen Romane vorzustellen. Zugleich erstellen sie einen Streckenblog, für den sie unterwegs Reflexionen, Notizen, Fotos und Filme online stellen.
3. Mit dem E-Bike verwandelt sich die Welt in ein Verlagsprogramm.
Suhrkamp erstellt mit den Lesetouren seiner Autoren evolvierende literarische Streckennetzwerke. Mit dem Suhrkamprad kann man als nicht ganz so sportlicher, aber grün-orientierter Mittelschichtler dann selbst auf Guided Tours durch Deutschland strampeln und bekommt über GPS vor Ort jeweils die Beiträge eingespielt, die ein Autor dafür vorgesehen hat.
4. Mit dem E-Bike erschreiben sich die Suhrkamp-Leser ihren eigenen literarischen Kosmos.
Natürlich können alle, die auf Suhrkamprädern unterwegs sind, ihre eigenen Beiträge und Kommentare zu den Beiträgen der anderen Suhrkampradfahrer einspeisen. Die Literarische Öffentlichkeit wird darüber neu definiert.
5. Mit dem E-Bike treten Autoren gegen Leser an – und umgekehrt.
Angezeigt wird über eine Radarfunktion, welches Verlagsrad noch in der Nähe ist, welcher Fahrer oder welche Fahrerin auf ihm sitzt und ob er oder sie interessiert ist, ein Rennen zu fahren. Wahlweise kann man auch gegen den Ghost von Hermann Hesse, Siegfried Unseld oder Arno Schmidt (auf dem Tandem mit Alice Schmidt) in die Pedale treten.
Suhrkamp steigt damit ins Geschäft für smarte literarische Mobilität ein. Vielleicht wird es 2016 ein Suhrkamp-Auto geben, 2020 Suhrkamp-Helikopter, 2025 Suhrkamp-Raketen, die bis nach Nordkorea fliegen könnten.
Vielleicht auch nicht. Egal. Schon ein E-Bike würde reichen, um der guten alten Suhrkampkultur wieder neuen Schwung zu geben.
Vom Entwurf zum Suhrkamp-E-Bike: