Der Verleger als PAM
Wie die App-Kultur den nächsten Verlag formiert
Wie grundsätzlich sich das literarische Feld derzeit verändert, läßt sich im Kleinen studieren. Zum Beispiel an einer Annonce der Fortbildungsexperten ”mediacampus”. Beworben wird ein so genannter Zertifikatslehrgang für Leute aus der Buchbranche, die entweder nicht mehr weiter wissen oder sich offensiv weiterentwickeln wollen. Und zwar zum ”Professional App Manager”.
“Schwerpunkte”, so heisst es in der Annonce, die das Boersenblatt des deutschen Buchhandels verbreitet hat, “sind sowohl die selbstständige Entwicklung von Apps als auch die Planung und Steuerung der Prozesse intern sowie mit externen Dienstleistern.”
Dahinter steht die Einsicht, dass im nächsten Literaturbetrieb zu jedem Buch mindestens eine App gehört:
- eine App, über die Kunden in den virtuellen Buchladen kommen und sich über mehrere Serviceangebote durch ihn hindurchbewegen;
- eine App, über die Leser die ersten Seiten eines Buches lesen und es dann runterladen können;
- eine App, über die Verlagsprogramme ebenso vorgestellt werden wie der Verlag selbst, die Verleger, die Lektoren, die Mitarbeiter;
- eine App, die nur einem Autor gewidmet ist und die Gesamtheit seiner transmedialen Performance präsentiert und aktualisiert;
- eine App, über die sich die Kunden-Community eines Verlages organisiert, also das gemeinsame Lesen, Kommentieren und Diskutieren, der Direktkontakt mit den Autoren, dazu Lesungen, live, per Stream oder als Download;
- eine App, über die alle Aktivitäten innerhalb des Verlages organisiert und koordiniert werden – vom Lektorat bis zum Marketing, von der inhaltichen Programmentwicklung bis zur Bestellung der Pizza für die Mitarbeiter abends um halb zehn.
Der “Professional App Manager” wird das alles im Blick haben. Er wird damit derjenige sein, der im Verlag dauernd die Formatfrage für die ganze Organisation stellt. Denn klar ist: Was der Verlag tatsächlich ist, definiert zukünftig die Applikation, die man dafür entwickelt. Und jeder im Verlag ist das, was im App-Design dafür entworfen wird.
So darf man jetzt schon ahnen, dass der “Professional App Manager” am Ende keineswegs ein kleiner Mitarbeiter ist. Tatsächlich wird “PAM” die neue Bezeichnung für die Verleger selbst sein! Denn sie sind es, die das Ganze als Ganzes im Blick halten müssen. Und sie müssen wissen, wie man den ganzen Laden so weiterentwickelt, dass er sich an die neuen Gegebenheiten anpasst und dabei selbst die neuen Gegebenheiten schafft.
Weil das so ist, werden die Verleger als “Professional App Manager” dann auch wissen, dass mit den Apps nicht das letzte Wort gesprochen ist. Es geht eben darum zu verstehen, dass es die Formatfrage ist, mit der sich Verlage in der Computerkultur beschäftigen müssen, ohne dass man eine dauerhaft gültige Antwort finden kann. Um die Jahrhundertwende mussten sich die Verlage noch mühsam an das Netz gewöhnen. Seit ein paar Jahren quälen sich damit zu begreifen, welche Möglichkeiten sich durch die Plattformen der Social Media eröffnen. Nun kommt mit den Apps das nächste große Ding – bevor dann mit Sicherheit das übernächste kommt.
So darf man darauf wetten, dass die nächsten grundsätzlichen Veränderungen für Verlage schon in drei bis fünf Jahren anstehen. Der “Professional App Manager” wird dann zum alten Eisen gehören. Man kann nur hoffen, dass “mediacamp” dann eine neue Idee für eine nächste Fortbildung hat.
[...] ihrer Auswirkungen auf den Literaturbetrieb“ zelebriert. Im Glasauge erscheinen dann Artikel wie DER VERLEGER ALS PAM - Wie die App-Kultur den nächsten Verlag formiert; BACK UP YOUR BRAIN - Wie uns die Autoren [...]