Letzte Leidenschaft
Warum der Steidl-Verlag ein Parfum herausgibt
Es kommt am Ende der klassischen Buchkultur zu eigenartigen Effekten, die eigentlich nur Kitsch sind, doch dabei die ganze Wahrheit über den Zustand der Buchbranche preisgeben.
Das vom Steidl-Verlag herausgebrachte Parfum “Paper Passion” gehört mit Sicherheit dazu. Es soll daran erinnern, dass Bücher einen unvergleichlichen Geruch haben, den elektronische Bücher und Texte im Netz nicht haben können.
Das Buch, in dem der Flakon dazu geliefert wird ist hohl. So wie der Essay von Karl Lagerfeld und das Gedicht von Günter Grass, die auf den ersten Seiten abgedruckt sind und das gute alte Buch und seine Aura beschwören, bevor man ein paar Seiten später auf das Fläschchen stößt.
Mit dieser Edition wird vielleicht auf den obszönsten Punkt gebracht, dass das Festhalten am Buchformat nichts mehr mit Inhalten und schon gar nichts mit literarischer Kommunikation zu tun hat. Es geht um die snobistische Herausstellung eines rückwärts gewandten Lebensstils, von dem unwillentlich zugegeben wird, dass er flüchtiger ist als jene Texte der Netzkultur, die zu kritisieren die Parfum-Editoren vorgeben.
So gleicht “Paper Passion” eher jenem Duftwasser, das Begräbnisunternehmer in den Sarg sprenkeln, wenn die Leiche noch ausgestellt werden soll. Wer das mal gerochen hat, wird es nie wieder vergessen können. Man wird auf ewig daran erinnert, dass dies der falsche Geruch für echtes Leben ist.
“Steidls Waffe zur Verteidigung der Bücherliebe” hat ein Kolumnist der Zeitschrift Cicero diese Aktion genannt. Wenn das eine Waffe sein soll, dann weiß man, dass die Auseinandersetzungen um die Buchkultur längst nicht mehr nur komische Blüten treiben. Dass Parfum eingesetzt wird, ist ein sicherer Hinweis darauf, dass es zusehends schmutziger wird.