Wie Fremdenfeindlichkeit Schutzsuchende zu Angreifern stilisiert – ein Gastkommentar von Raphaela Tiefenbacher
Die jüngsten politischen Entwicklungen im Burgenland und der Steiermark haben eine Tendenz erhärtet, die in Österreich seit viel zu langer Zeit schon spürbar ist. Den überwältigend klaren Ruck nach Rechts. Sowohl treue Anhänger und Anhängerinnen von ÖVP, als auch und vor allem von der SPÖ, sowie eine beachtliche Zahl von Nichtwähler und Nichtwählerinnen, haben am Sonntag vor einer Woche ihre Stimme für die Freiheitlichen abgegeben.
Als Hauptmobilisierungsgrund wird in diesem Kontext die „Flüchtlings- bzw. Asylproblematik“ genannt. Dabei dient dieses Themengebiet der FPÖ lediglich als Vehikel für wirtschaftspolitische Fragen. Von Seiten der FP wird eine Fiktion geschaffen, in der nicht der neoliberalistische Mainstream europäischer Wirtschaftspolitik für die Kürzungen im sozialen Bereich verantwortlich sind, sondern die Ausgaben für Schutzsuchende. Die Ursprungsproblematik ist die soziale Frage in Zeiten einer neoliberalen Sparpolitik, von der ganz Europa betroffen ist. Jedoch wird um jene Ursprungsproblematik ein Mäntelchen der Feindseligkeit gegenüber Fremden gehüllt, welches den gewünschten Grad an Emotionalisierung jederzeit gewähren kann.
Doch dabei bleibt es nicht: Es wird hier auch eine Vorstellung genährt, in der jene Menschen, die heute in Zeltstädten im Freien campieren müssen (und demgemäß allen Wetterlagen ausgesetzt sind), vom omnipräsenten sozialen Sparkurs ausgeklammert sind. Sie genießen nach dieser absurden Logik also all jene Leistungen des Staates, welche den Österreichern verwehrt bleiben, obwohl sie augenscheinlich unter Bedingungen leben, die einem der reichsten Länder der Welt unwürdig sind. De facto kostet ein staatlich untergebrachter Asylwerber oder Asylwerberin Österreich 18 Euro pro Nacht (welche aber an den Betreiber der Unterbringung gehen) sowie 40 Euro Taschengeld im Monat.
In diesem Kontext möchte ich jedoch auf das eingehen, was immer wieder als „Sicherheitsargument“ gegen Asylwerber und Asylwerberinnen gehandelt wird. Dieses Sicherheitsargument greift die Angst der Österreicher und Österreicherinnen vor dem Zuwandern von Extremisten des IS bzw. islamistischer Dschihadisten und Dschihadistinnen auf. Unter allen Argumenten, derer sich die Rechte bedient, ist dieses wohl bei genauer Betrachtung das Verstörendste unter allen, weil es auf erschreckende Weise die Rollen von Opfern und Tätern in der öffentlichen Wahrnehmung vertauscht.
Seit Juli letzten Jahres gehen unzweideutige Bilder von Massenmord, Folter und Krieg im mittleren Osten um die Welt. Jedes mal, wenn wieder ein amerikanischer Staatsbürger geköpft wurde, schlugen die Wogen hoch. Das akute Grauen vor solch brutaler Barbarei war überall zu spüren. Und gerade im Zeitalter der Effizienz und Ökonomisierung war es eben jener Anflug von Mitgefühl und jene Abneigung gegen plastische Abscheulichkeiten, die eine Rückschau auf die eigene Geschichte und Identitätsstiftung, durch die Besinnung auf hart erkämpfte Menschenrechte erhoffen ließen.
Das Attentat auf Charlie Hebdo in Paris, brachte einen flächendeckenden Aufschrei der westlichen Welt mit sich, der im Zeichen von Frieden und Pressefreiheit stand. Weltweit versammelten sich Menschen um den Zeichnern zu gedenken, aber sich vor allem ihres eigenen Wertsystems zu vergewissern. Diese Form von Zugehörigkeit ist die einzig zukunftsweisende im europäischen Kontext. Dass jedoch unter all den Opfern des IS die Mehrheit der Toten immer noch Muslime sind, wie sogar Barack Obama in seiner Rede vom 10.9.2014 im weißen Haus festhielt, wurde hierzulande scheinbar völlig vergessen.
Zahlenmäßig kommen laut Bundesministerium für Inneres die meisten Flüchtlinge aus Syrien (3.424 Anträge). Es ist bekannt, dass diese Menschen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus Gebieten kommen, die schlichtweg unbewohnbar sind, und dass jene die es bis hier her geschafft haben, mehrheitlich eine lange, lebensgefährliche Reise auf sich genommen haben, um bis nach Österreich zu kommen. Doch anstatt dieses Faktum anzuerkennen werden die Schutzsuchenden als Eindringlinge gesehen. Ihr Ankommen in Österreich allein wird als aggressiver Akt gedeutet. Ungeachtet der Tatsache, dass sich die meisten Flüchtlinge nichts sehnlicher wünschen, als irgendwann in ihre Heimat zurückkehren zu können, werden sie in den Köpfen der Fremdenfeindlichen zu muslimischen Eroberern und Besetzern.
Hier werden die Opfer mit dem Stigma ihrer eigenen Täter behaftet. So paradox es auch ist, die Abneigung gegen den IS hat sich in die Abneigung gegen seine Opfer gewandelt. Diese werden also doppelt bestraft. Aus ihrer Heimat vertrieben werden sie am Zufluchtsort der Schuld an der eigenen Lage bezichtigt. Es ist schlichtweg absurd, Menschen, die vor dem IS und den Bürgerkriegszuständen im mittleren Osten fliehen, auf eine Weise auszugrenzen, die ihnen das Verhalten ihrer eigenen Opponenten vorwirft. Aber viel schlimmer ist, dass dieses Verhalten dem IS und der extremistischen Gesinnung als solcher nicht schadet, sondern nutzt. Was Terrorismus nämlich erreichen will, ist die Aushöhlung westlicher Ideale bzw. ihre Entschleierung als leere Worthülsen. Indem man nun aber etwa die syrischen Flüchtlinge (und Asylwerber allgemein) von dem Recht auf Zuflucht ausschließt, beraubt man die Menschenrechte ihrer Generalität und bewirkt damit unweigerlich ihre Abschaffung im Ganzen.
Eine Schlussbemerkung
Nun ist es zugegebener Maßen sehr einfach, die FPÖ und ihre Wähler und Wählerinnen der Dummheit zu bezichtigen, ihre Prämissen für lächerlich und ihre Konklusionen für menschenverachtend zu erklären. Fakt ist jedoch, dass die Angst vor dem Fremden vorhanden ist, und dass innerhalb der Gesellschaft soziale und kulturelle Reibung vor allem dort entsteht, wo es an Kommunikation mangelt. Indem man diesen Diskurs also auf linker Seite ständig meidet, überlässt man das Feld bereitwillig den Rechten.
Blickt man auf den ökonomischen Kontext derer, die tatsächlich in Berührung mit handfester Integrationsproblematik kommen, so ist leicht festzustellen, dass diese sich in sozioökonomisch schwächeren Schichten befinden. Nicht die Gymnasien und Universitäten sind Austragungsfläche dieser Konflikte, sondern die Hauptschulen, die Berufsschulen, die Gemeindebauten. Die Sorgen und Ängste mancher Österreicher und Österreicherinnen müssen ernstgenommen und die Spannungen, die sich ergeben adressiert werden. Es ist an der höchsten Zeit, dass die Linke sich endlich dieser realen Problematik annimmt, sie als Strukturversagen der Politik enthüllt und sie in einen wirtschaftspolitischen Kontext einbindet anstatt sie weiterhin in den Händen derer zu belassen, die sie zum Vorboten des Kampfes der Kulturen inszenieren.
Raphaela Tiefenbacher ist Studentin der Rechtswissenschaften und Philosophie an der Universität Wien. Ihre Betrachtungen zu den Entwicklungen des jüngsten Zuwanderungsdiskurses legen die Paradoxie der Fremdenfeindlichkeit offen. Der gesamte Artikel ist auf http://www.alpenfeuilleton.at/ zu lesen.
Titelbild: flickr.com/NoborderNetwork cc
Mayerhofer
12. Juni 2015 at 13:13
Die Flüchtlinge und Asylwerber sind wahrlich nicht das Problem. Da werden diverse – teils auch ausländische – „Sozialschmarotzer“ von der gemeinen Bevölkerung mit Schutzsuchenden Flüchtlingen vermischt, obwohl die nur in den seltensten Fällen Überschneidungen haben.
Fakt ist aber trotzdem, dass wir, besonders in der Bundeshauptstadt, ein Integrationsproblem haben. Ausnahmen – die sich glücklicherweise langsam häufen – bestätigen wie immer die Regel.
Wie es da konkret in der Steiermark ist, entzieht sich meinem Wissen, in Wien wurde in gefühlten 80 Jahren SPÖ-Alleinherrschaft (überspitzt formuliert) aber einige Verfehlungen begangen.
Die FPÖ nutzt das schamlos aus, was natürlich zu hinterfragen und zu kritisieren ist. Die Probleme existieren aber wirklich und sind keine reinen Hirngespinnster der Freiheitlichen.