Uraufführung „Schuld und Schein“ erfolgreich versteigert! {Updated}

November 21st, 2012 § 2 comments Autor: Ulf Schmidt

Update 21.11. 14 Uhr: Man glaubt es kaum, aber man­che Men­schen sind des Lesens nicht mäch­tig. Der Meist­bie­tende war von kei­nem Thea­ter, hatte auch kein inter­es­sier­tes Thea­ter hin­ter sich. Wie bei ebay üblich geht das Ange­bot jetzt an unter­le­gene Bie­ter. Der fol­gende Arti­kel ist inso­fern zumin­dest etwas verfrüht …

Seit dem 11.11.2012 lief auf ebay die Ver­stei­ge­rung der Urauf­füh­rungs­rechte für mei­nen neuen Text „Schuld und Schein. Ein Geld­stück“. Eben ging sie zu ende – und hatte Erfolg. Die Urauf­füh­rung wird in die­ser Spiel­zeit statt­fin­den. Und genau das ist die fan­tas­ti­sche Nach­richt und die Überraschung.

 

Es gab zuvor nicht wenige, die die ganze Sache für aus­sichts­los erklärt hat­ten. Pro­fes­sio­nelle Thea­ter haben übli­cher­weise Pla­nungs­vor­läufe, die eine so kurz­fris­tige Auf­nahme eines neuen Tex­tes aus­schlie­ßen. Ein übli­ches Zeit­fens­ter für einen Text, der grund­sätzlch auf Inter­esse trifft, wären etwa ein bis zwei Jahr gewe­sen. Die aktu­elle Spiel­zeit, die bis zum Som­mer 2013 dau­ert, ist durch­ge­plant. Für die fol­gende Spiel­zeit dürf­ten eben­falls Pla­nun­gen schon so weit im Gange sein, dass eine Urauf­füh­rung zu Spiel­zeit­be­ginn nicht unbe­dingt hoch wahr­schein­lich wäre. Das war das Risiko an der Ver­stei­ge­rung: stell dir vor, es gibt eine Auk­tion – und kei­ner bie­tet mit.

 

Aber das war noch nicht alles. Das Stück selbst war auf der eigens dafür erstell­ten Web­seite schuldundschein.de im Voll­text zu fin­den und als PDF down­load­bar. Auch das ist nicht üblich. Nor­ma­ler­weise hüten Ver­lage die Texte, ver­schi­cken sie auf Anfor­de­rung von inter­es­sier­ten Thea­tern, die ihn dann in Ruhe lesen, bewer­ten und über eine Annahme ent­schei­den. Das wie­derum hätte eben­falls zu Zeit­ver­zö­ge­run­gen geführt, denn Stück­an­kün­di­gun­gen wer­den nicht sel­ten in Druck­ver­sion ver­schickt, die in der Pro­duk­tion eines wei­te­ren Vor­laufs bedurft hät­ten. Was den Vor­lauf wie­derum wei­ter aus­ge­dehnt hätte.

 

Dass nun die­ser Vor­lauf durch Ein­satz der Web­seite und die Down­load­funk­tion auf rasante 10 Tage ver­kürzt wer­den konnte, ist eine wei­tere Über­ra­schung. Denn inner­halb die­ser 10 Tage musste eini­ges Gesche­hen: Thea­ter muss­ten auf­merk­sam wer­den. Sie muss­ten den Text lesen, was zumeist heißt, dass nicht nur ein Dra­ma­turg, son­dern sicher­lich meh­rere sich die Zeit neh­men, einen Blick in den Text zu wer­fen. Sie muss­ten sich dar­über ver­stän­di­gen, ob sie das Thema rele­vant und die Qua­li­tät des Tex­tes für akzep­ta­bel hal­ten. Sie muss­ten klä­ren, in wel­cher Form sich ein Thea­ter über­haupt auf eBay enga­gie­ren kann. Und sie muss­ten mit­bie­ten. Min­des­tens zwei der drei Bie­ter sind tat­säch­lich Thea­ter. Das habe ich erfah­ren, ohne jetzt sagen zu wol­len, wel­che es waren.

 

Aber auch das ist noch nicht die ganze Geschichte. Laut Ser­ver­sta­tis­ti­ken wurde das Text-PDF knapp 200 mal her­un­ter­ge­la­den. In Deutsch­land gibt es laut Sta­tis­tik des Deut­schen Büh­nen­ver­eins 145 Thea­ter in öffent­li­cher Trä­ger­schaft, wei­tere 280 Pri­vat­thea­ter, also ins­ge­samt 425. Gehen wir nun davon aus, dass nicht jeder, der den Text her­un­ter­ge­la­den hat, an einem Thea­ter arbei­tet, son­dern sich auch andere Leser dafür inter­es­sier­ten, so dürfte doch eine Ration von etwa der Hälfte (rein spe­ku­la­tiv) zu Thea­ter­leu­ten zu rech­nen sein. Das heißt: Ein Vier­tel der deut­schen Thea­ter ins­ge­samt hat sich den Text ange­se­hen. Und das wie­derum ist ein ziem­lich schö­ner Erfolg für den Text. Denn übli­cher­weise ist die Leser­schaft für neue Texte eher im nied­ri­gen zwei­stel­li­gen Bereich anzu­sie­deln. Dazu gehe ich davon aus, dass Thea­ter, die sich den Text her­un­ter­ge­la­den haben und ihn ansatz­weise inter­es­sant fan­den, das PDF intern zir­ku­lier­ten, sodass die reale Leser­schaft etwas höher aus­fal­len dürfte.

 

Zudem hat die Web­seite – abhän­gig von der Daten­quelle – zwi­schen 1.000 und 2.000 Visits in den letz­ten Tagen gehabt. Auch das ist unge­wöhn­lich für einen neuen Thea­ter­text. Und die Web­sei­ten­be­su­cher haben offen­bar durch­aus Inter­esse an den wei­te­ren Inhal­ten der Seite gehabt, denn die durch­schnitt­li­che Ver­weil­dauer auf der Seite betrug über 4 Minuten.

 

Nun könnte man die Augen­brauen schür­zen ange­sichts des Auk­ti­ons­er­geb­nis­ses von „nur“ 10,51 Euro. Ich tue das nicht. Denn die­ser Betrag ist irre­le­vant. Wer auf eBay selbst ein­mal eine Ver­stei­ge­rung lau­fen hatte, weiß, dass die Ver­viel­fa­chung des Min­dest­ge­bots äußerst unwahr­schein­lich ist. Inso­fern ist die Ver­zehn­fa­chung von einem Euro auf zehn bereits durch­aus als erfreu­lich zu wer­ten. Wäre ein höhe­rer Preis das Ziel gewe­sen, wäre die Auk­tion nicht mit einem Euro gestar­tet, son­dern mit einem höhe­ren Betrag. Aber dann wäre das Ange­bot für Thea­ter weni­ger attrak­tiv gewe­sen: Der Deal war ja, dass Thea­ter, die sich die Mühe die­ser immen­sen Pla­nungs­be­schleu­ni­gung machen, dafür den Vor­teil haben, die Tan­tieme der Uraufführungs-Premiere zum Auk­ti­ons­preis zu erhal­ten. Und ob der nun einen, zehn, oder hun­dert Euro beträgt, ist von gerin­ge­rer Bedeu­tung als die Tat­sa­che, dass Thea­ter mit­ge­macht haben und die Urauf­füh­rung tat­säch­lich zustande kommt. Und immer­hin 440 Sei­ten­auf­rufe hatte die Auk­tion auf ebay!

 

Mein Fazit: Ich bin aus­ge­spro­chen erfreut über die Aktion und ihren Aus­gang. Viel­leicht setzt damit auch eine kleine Dis­kus­sion über die Pro­duk­ti­ons­for­men von Thea­ter oder zumin­dest die Fle­xi­bi­li­tät in der Reak­tion auf aktu­elle The­men ein. Das wäre wün­schens­wert und not­wen­dig. Ich freue mich, dass die Urauf­füh­rung über­haupt statt­fin­det, dass sie so bald statt­fin­det – und dass sie an einem tol­len Thea­ter statt­fin­det. Wel­ches Thea­ter das ist, werde ich erst ver­kün­den, wenn die Ver­träge unter Dach und Fach sind. Aberglaube.

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