Loreley (7)

loreley

Unzählige Male sind wir die linksrheinische Strecke im Zug gefahren. Die Züge haben sich mit den Jahren verändert, sind schneller geworden und verspäten sich (innerhalb Deutschlands) häufiger – vielleicht ist die Häufigkeitszunahme bei den Verspätungen aber nur eine gefühlte, gleichsam neoliberale, weil unter dem ständig scheiternden Ex-Bahnchef mit seinem irrsinnigen Gehalt gleichzeitig die Preise stiegen und die Wartung heruntergefahren wurde. Auszubaden hatten das und haben es bis heute vornehmlich die Fahrgäste und Zugbegleiter. Zwar besitzen die Züge nun Klimaanlagen, die (wohl aufgrund von Managern auf dem Papier entindividualisierter Normsommer und -winter) ähnlich wie die Toiletten häufig ausfallen, dafür lassen sich die Fenster nicht mehr öffnen. Die Gesellschaft wird von ihren Vertreten und Vorverdienern zunehmend in Haft genommen, der mobile Bürger unter seltsamen, entpersonalisiert-entmenschlichten Kürzeln geführt; die Entwicklung des Bahnreisens ist nur ein Symptom unter vielen und auf natürliche Weise dem großen Räderwerk verzahnt. Erst fehlen Raucherabteile, dann wird der Raucher zunehmend als menschliche Erscheinungsform verboten, die Gesellschaft schlägt sich ihre vermeintlich kranken, nonkonformen Glieder ab, die unterdessen weiter fleißig ihre Sondersteuern zahlen.

Die rechtsrheinische Schnelltrasse halbiert die Fahrtzeit zwischen Köln und Frankfurt seit einigen Jahren auf eine Stunde. Das kann angenehm sein, wenn es funktioniert (tut es auch meist). Wir bevorzugen dennoch den Ausblick der linksrheinischen Strecke. Was ist eine Bahnfahrt, was ist eine Stunde wert? Lärmschutzwälle können faszinieren, wir haben schon Gedichte über Lärmschutzwälle geschrieben. Doch nur beim Passieren der Loreley hören wir immer wieder Reisende Heine zitieren, bisweilen von irgendwelchem Unfug begleitet, die Faszination (mehr an Gedicht und Geschichte als am Felsen selbst) aber zieht sich praktisch jedesmal auf die ein oder andere Art spürbar durch unser jeweiliges (sic!) Großraumabteil, was wir von den Lärmschutzwällen der rechtsrheinischen Strecke so bisher nicht behaupten können.


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