Antiochia

Dort schaukelten sie am Baum. Ich sah nur die beiden Hanfseile auf mich zu – von mir weg knirschen. Versteckt unterm Fenster das flüsterhafte Gelächter der Schaukelnden, die sich auch im Idiom des leisen Kicherns unterhielten. Die beiden Schaukelnden wuchsen heran in Zeitlupe (man konnte das Heranwachsen mit bloßem Auge nicht sehen, musste selbst zusehen, wie einem die Haare wuchsen, an den Beinen, in der Arschfalte, den Handrücken…). Ich stand am Fenster und lauschte dem glockenhellen Lachen, Ziegen blökten aus einem Hinterhalt und die Uhr gongte eine volle Stunde. Es stank plötzlich nach Zeit.

Im Sommer trägt die Luft den Ton bis in den Raum, in dem man steht. Die Distanz der Wintertöne, das Pastell der Herbsttöne – im Sommer fehlt eine Abwesenheit. Dieses Paradox. Keiner weiß, was das Nichts ist, auch dieses Gelächter da draußen weiß es nicht. Das Lachen täuscht nicht über Vergänglichkeit hinweg. Jeder Wandel negiert einen Augenblick. Das Nichts ist die Abwesenheit von Erinnerung. Sätze.

Und noch schaukeln sie und ich stehe im Sommer und blicke aus dem Fenster, zwischen den Hanfseilen hindurch, an der Buche vorbei, immer weiter über das Tal, die Wiese der Schafe, in ein anderes Fenster hinein, vor dem sie an einem Baum schaukeln.

Hinter dem Fenster aber herrscht Dunkelheit.

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