Das Bett ist der Ort, wo man liebt und träumt. Somit ist es die wahre Werkstatt der Literatur, des Dichters eigentliche Heimat, sagt Jean Paul im Hesperus.
Gérard de Nerval, der sanft und bescheiden war, konnte erröten wie ein junges Mädchen. Doch als er sich richtig verliebte, kaufte er ein riesiges Renaissance-Bett, um das Objekt seiner Leidenschaft darin zu empfangen. Théophile Gautier, der das Bett während Nervals Reisen, die ihn bis nach Syrien und Ägypten führten, in Gewahrsam hatte, erzählte, daß „im feierlichen Moment jeder hätte verschwinden sollen“. Aber die Göttin, für die dieser Tempel gebaut worden war, stieg nie zu ihm herab.“
In seiner „Aurelia“ gibt der französische Romantiker von dieser Liebe Kunde. Das Manuskript des Werkes fand man im Januar 1855 in der Tasche des an einem Pariser Laternenpfahl erhängten Dichters – ein rätselhaftes Buch voller bizarrer Bilder. Der Hintergrund der erzählten Ereignisse ist die authentische Beziehung zu der Schauspielerin Jenny Colon, deren Liebe Nerval durch eigenes verschulden verloren hatte. In seiner Bestürzung über diesen endgültigen Verlust öffnet sich der Erzähler der phantastischen Bildwelt seiner Träume und Halluzinationen. Auf wunderbare Weise scheinen Traum und Wirklichkeit sich zu entsprechen: „Hier hat für mich begonnen, was ich das Hineinwachsen des Traums in das wirkliche Leben nennen will.“
(Reprint nach der Erstausgabe von 1910 der edition spangenberg, München mit Zeichnungen von Alfred Kubin)
Nicht auf das erfahrbare Unglück der romantischen Liebe will ich aber hinaus, sondern auf das Bett als Quell der Lebensenergie. Es ist selbsterklärend, daß hier auch die Eskapaden -, das Tor aus Elfenbein und Horn leuchtet bereits auf, welches soll sich gleich öffnen? -, des Traumes beginnen. Zu einem plumpen Ort, an den man sich nach getaner Arbeit begibt, um am nächsten Morgen um sieben wieder daraus hervorzuspringen, um seine Sklavendienste anzutreten, wurde das Bett erst in der bürgerlichen Moderne degradiert, da jeder, der sich über die Zeit darin verschanzte, als Taugenichts und Müßiggänger verstempelt wurde, gerade so, wie es die Idiotie der bürgerlichen Welt nun einmal eignet.
Aber das Bett ist vielmehr als eine Garage des Körpers, während der Geist in den Fürstentümern der Anderswelt herumbeutelt. Im hellwachen Zustand ist es die vorgelagerte Wolke, in der man sich vermischt, um sich völlig verändert in den Armen liegen zu bleiben und um miteinander zu atmen.
Wenn Paare gemeinsam ein Bett teilen, dann geht es um mehr als nur um den Schlaf, es geht um die Erneuerung und die Erhaltung der Beziehung. Es kann die einzige Zeit sein, in der Paare erfahren, was mit dem anderen los ist, was er plant, welche Entscheidungen er trifft, was ihn bedrückt. Das gemeinsame Bett ist für viele Paare ein Symbol dafür, daß sie wirklich ein Paar sind. Was sich da so lapidar ausmacht, ist allerdings keineswegs so sehr bewußt, wie es zunächst den Anschein hat. Die Symbolik liegt nämlich nicht darin, es eben einfach zu tun, weil man vielleicht keine andere Möglichkeit besitzt, sondern in dem, was als „Bettgeflüster“ in den Volksmund gerutscht ist. Die nicht eigentlich definierte Bedeutung dieses Begriffs umreißt jedoch ein Gesprächsverhalten, dem man in einer anderen Form gar nicht begegnen kann. Es gehört sogar zu den intimsten Möglichkeiten, die man als Paar zur Verfügung hat in einer Zeit, da selbst der Geschlechtsakt nicht zwingend eine „seelische“ Vereinigung mit erfordert, sondern aus der Distanz absolviert werden kann und in den meisten Fällen auch wird. Das Bettgeflüster ist anders, es meint die vollkommene Demaskierung und findet auch nur dann seine Anwendung, wenn jeglicher Alltagsdünkel fallen gelassen wurde. Während Dialoge, Tagebücher, Reden und Briefe sich längst literarisiert finden, verbleibt das Bettgeflüster zwischen zwei Menschen, ohne daß dazu eine Rose an der Decke hängen müßte, die daran gemahnt, das hier Gesagte hat in dieser „dem Traum vorgelagerten Wolke“ seinen Ursprung und seine ganze Tragweite, die Archivierung der Worte findet nur in der eigenen geheimnisvollen Kammer Eingang, die jeder Mensch, sei er exhibitionistisch oder nicht, auch wenn er wollte, gar nicht zu öffnen wüßte. Ist der Modus „Bettgeflüster“ erst einmal aktiv, gibt es keine Möglichkeit, seinen Codex zu durchbrechen. Es ist leichter, einen Traum wiederzugeben – und was die Scham angeht, leichter in einer Flughalle völlig gelassen unter all den Leuten auf den Boden zu scheißen, als das Bettgeflüster einer Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die mißglückten Versuche finden sich bei Mata Hari als auch Casanova wieder.