Der Weg, den sie kam

Noch wollte ich erzählen, um mir selbst zu beantworten, was damals geschehen ist, als ich mich auch schon dabei ertappte, die Vergangenheit zu leugnen. Nichts lag unbeschwert vor mir, an nichts konnte ich denken, ohne einen gewissen Fehler zu finden, der sich „verlieren“ nennt. In unterschiedlichen Situationen sind wir auch unterschiedliche Personen, keine Frage nach dem Früher ist zu beantworten. Taten sind nur ein unzuverlässiges Gespinst, sie täuschen den Betrachter, und er wird sich an der Kausalitätskette erhängen. Ein merkwürdiger Tod.
Ich erinnere mich nicht mehr an ihren ganzen Namen. Madeleine Ladoyen ist nur ein von mir erdachtes Phantom, aber genauso phantomenhaft war unsere Begegnung, unser Sein, Werden, und erst recht der Abschied. Wir schieden nicht voneinander, uns gab es von einer Sekunde auf die nächste nicht mehr. Und doch: umso mehr ich darüber nachdenke, hüpft ihr Bild an einen anderen Ort, Madeleine ist nicht mehr Madeleine, ich traf in ihr nicht sie selbst an, sondern ein Attribut. Madeleine war bereits nach diesen fünf denkwürdigen Tagen für immer verwandelt, für immer verloren. Ich würde gerne den Weg sehen, auf dem sie kam, bevor sie sich auf eine Bierbank außerhalb des Zeltes setzte, wo wir allein waren, während der Grill aufgeheizt wurde, die Musik gewechselt, das Aggregat betankt; den Weg, den sie ahnungslos geschlendert kam (war sie ahnungslos wie ich?- konnten wir überhaupt ahnungslos sein?) in einem dunklen, knappen Sommerkleid, die Sandalen in der Hand. Sie hatte sich von der Herde fortgewagt, ihre Kupferhaut wies das Sonnenlicht in seine Schranken. War es der Blick, der Mund, der Ort? Hatten wir es gewollt, gemacht oder zugelassen?

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