Zu den Tafeln des Symballousa

>Als ich 1995 am „Symbolon“ schrieb (damals noch als Morpheus Eisenstein), hatte ich meine Sprache noch nicht in letzter Konsequenz gefunden. Die Struktur jedoch bestand darauf, alles auf einmal sagen zu wollen und sämtliche Stile zu vermischen. Die Germanistin Klüger nannte das „ein unendlich elaboriertes System aus genialischer Kreativität und avantgardistischen Avancen“, und ich habe das nie als Kompliment genommen. Zu dieser Zeit hätte ich mich eher mit Paganini identifiziert als mit irgendeinem Dichter (einige Surrealisten einmal ausgenommen), die Virtuosität erschien mir stets als das Wichtigste der Poesie, einen sogenannten Lesefluss lehne ich auch heute noch ab; als Schriftsteller sah ich mich so lange nicht, bis ich beinahe einer geworden wäre.
In den „Tafeln des Symballousa“ geht es um merkwürdige Dinge, die in einer kaum gekannten Zeitlosigkeit schweben. Also möchte ich anmerken: Ja. Mich interessiert weder die Zeit noch bewegt mich die Grammatik, die nicht einen magischen Ursprung in sich trägt. Meine Grammatik muss ein Rhythmus sein, der meinem Denken gleicht. Der Dichter benötigt sein eigenes Idiom, das hat mit dem ganzen Geschwätz von Stil nichts zu tun, überhaupt über Literatur – was soll das heute noch bedeuten können – sprechen wir hier nicht. Lieber rede ich von einer Ganzheit der Sprache. Damit meine ich zum Beispiel die Dehnung eines Vokals, die zeigt, wie ein einziges Wort zwei Bedeutungen erlangen kann (eine männliche und eine weibliche). Weg ist so ein Wort, das (lang gesprochen) zu etwas hinführt, während weg etwas abbricht. Quelle und Qual gehen auf dieselbe Sprachwurzel zurück, der eine Pol erfrischt, der andere bedrückt. Auch Sucht und Suche haben denselben Ursprung. Man kann sagen, dass Sucht eine fehlgeschlagene Suche ist. Achtung und Ächtung bilden ein Paar, wie auch Muße und Müssen. Was ich jedoch im Grunde damit sagen will, ist, dass der Sprache mein ganzes Augenmerk gilt und nicht dem Erzählten.
In den letzten Jahren habe ich einiges Drängen verspürt, mich vom Profanen und Belanglosen in aller Konsequenz zu lösen. Davon gibt es zwei Belege: Zum einen ein an die Romantik angelehntes Idiom, das ich in „Die Geschichte des Uhrenträgers“ begann und gegenwärtig in „Die wundersamen Abenteuer des Claudius Schlehenfeuer genannt Prunus Spinosa“ weiterführe, zum anderen das, was ich den „Stil h“ genannt habe. Es scheint mir, als bedürfe ich keiner weiteren Konzeptionen, weil ich mich in diesen beiden Welten verankert wiederfinde. Ich komme da nirgends an Grenzen, die mir auferlegt wären, und so einfach sich das anhört, brauchte es viele Jahre des Experiments, um dort anzulangen.
Die Tafeln des Symballousa sind ein vorläufiges Ergebnis meiner Forschung, einiges davon wird wohl bekannt sein und ist auch an anderer Stelle hier auf der Veranda vorhanden, anderes wurde stark überarbeitet, oder besser: in meinen stetig fließenden Fluss gegossen. Die Vorbilder dieser Tafeln sind nun die Smaragdenen Tafeln des Hermes Trismegistos, von denen der allseits wiedergekäute, aber kaum verstandene Satz stammt: „Wie oben so unten“, und mein „unendlich elaboriertes System“, das mit „Das Symbolon“ begann.

2 Gedanken zu „Zu den Tafeln des Symballousa“

Kommentare sind geschlossen.