Man On The Silver Mountain

Zunächst lag ich mit meiner Hand zufällig im Schritt, halb auf der Seite, aber doch schon bäuchlings, bewegte mich, weil ich träumte, weil mich etwas am Nacken faßte. Ich wollte etwas sagen, aber aus mir heraus kam nur Miauen. Mein Hals fühlte sich rauh an, als wären dort mehrere Seile gespannt, auf denen Zugvögel meditierten. Etwas biß mir in den Nacken und erreichte die Hand in meinem Schritt, die sich nicht bewegte, die mucksmäuschenstill da lag und eingeschlafen war. Um sie zu wecken, übte ich etwas Druck aus, aber mir explodierte nur der Schritt. Ich sah eine Sonne vor mir, die ihre Arme nach mir ausstreckte, mir war, als hätte ich diese Sonne verschluckt, denn sie befand sich in meinem Bauch und ihre Strahlen sausten mit dem Blut durch meine Adern. Ich miaute, miaute, miaute, ging tiefer in den Schlaf hinunter, sah mich nackt unter Rehen stehen, aber nicht ganz nackt, denn auch ich trug ein Fell, waldbraun und sumpfig. Die Rehe nickten mir zu, ich ließ mich hinunter auf alle Viere und trank den Tau von den Grashalmen, den Blüten der Margeriten. Das Flutlicht vierteilte uns, aus der Umkleidekabine drang ebenfalls Licht, Musik und Gelächter. Aber wir, wir befanden uns ganz alleine auf dem Platz, die wir Rehe waren. Niemand schien uns zu beachten, niemand war zu sehen.
Man On The Silver Mountain kam aus den Kabinen getönt. I’m the day, I’m the day…

I can show you the way
And look I’m right beside you
I’m the night, I’m the night
I’m the dark and the light
With eyes that see inside you

und irgendwie hörte es sich bereits nach Abschied an. Adam starrte mir auf die nackten Beine, betrachtete das Muttermal, mein Australien an der Wade, klein wie Madagaskar, meine Hand zufällig im Schritt, halb auf der Seite, aber doch schon bäuchlings, träumte, daß er mich am Nacken faßte und ich miaute, daß er mich biß und ich wie ein Reh meinen Pelz abzog, um im Mondlicht zu tanzen. Blut lief an meinen Beinen herunter, sah aus wie Wein, aus meinem Inneren sprudelte Wein, öffneten sich die roten Früchte, ich die Rebe, das Reh, miaute auf der eingeschlafenen Hand, sah eine Sonne, explodierte in der Mitte zu einer Musik, die rief: „Myrrha, Myrrha!“ Doch das war nicht der richtige Name, nicht mein Name, mein Name lautete Starstruck, Lady Starstruck, Bad Luck.
„Was tust du da, warum liegst du so lange im Bett. Brütest du etwas aus?“ Die Mutter in der Tür. Wenn ich jetzt aufstehe, wird sie mein Fell entdecken, das mir über Nacht auf dem Fußballplatz, das mir –
Aber vielleicht habe ich es nur angezogen, übergestreift. Vergangenheit, in die wir niemals wieder zurückkönnen, Vergangenheit wie ein Traum. Ich betrachte mich im Jetzt und denke, daß ich nicht die Frau bin, an die ich mich erinnere, durch Zufall geworden zu sein. Es ist eine geheimnisvolle Welt in meinem Kopf, und ich frage mich, ob wir dort immer noch sitzen und trinken und Rainbow hören, ob das bereits schon vor dem Urknall geschehen ist, ob dieses Zeug, das die Welt ausmacht, auf uns gewartet hat und dann in der Mitte explodierte, und ich bin seitdem Frau und komme
Was tust du da?
nicht mehr zurück, war da nicht mehr, seit Adam sagte: „Ich muß jetzt gehen. Myrrha, ich muß jetzt gehen.“
Mein Name ist Heike, sage ich ihm. Erinnerst du dich?