Stand der Sommerkluft

(die Geschichte in der Schleife)
    beym Spazierengehen sehe ich einen Mann am Eingang einer Höhle eine Windmühle zimmern, von Omen stotternd
    du große Stadt ohne Weintrauben, und wenn, dann als Abbild einer Kristallkugel, Spätlese
    (ein Haus)
    wie aus einem verdorbenen Magen gewürgt, Gallensteinfarben, in einem völlig verzweifelten Duktus gegen die tannengrüne Grundierung gemalt, als wir noch wie Kinder durch den Garten der Welt das Fallen von Gegenständen beobachteten
    ach, ich lebte, ich aß, von allen Kirschen behielt ich nur den Kern
    (schluckt man den Kern mit der Kirsche hinunter, beginnt unweigerlich der Wurzelschag des jungen Obstbaumes)
    die große schwarze Knorpelkirsche trägt sehr festes saftiges, rotbraunes Fruchtfleisch, die geotrope Pflanze bewegt ihre Wurzel auf den Erdmittelpunkt zu, damit sie aufrecht aus mir herauswachsen kann, ich möchte noch tiefer hinabsteigen
    – Erinnerung, was bist du
    die Gefahr ist groß, daß sich kein Schurz mehr findet, der die Dunkelheit anficht, oder davon abhält, zu bleiben, in vielen Türmen
    – Hexerei!
    von oben die Krallen, die einst Handfinger waren, gebeugt über das Land, mesmerisiert
    (Klauenblitz)
    unter dem Thenar bricht der Fluch hervor
    (die hohen Tennen)
    Korn bricht Stroh nicht, Wiesen & Flure verenden im Gestank der dunklen Wolke, die Kot ausbläst
    (die Hand zittert, kein reinigendes Feuer überlebt)
    der Aschehuf schwelt übers Land
    deine Röte glüht
    (warum denn auch nicht?)
    mein Haus
    (dein Zimmer war)
    wach, sinister, folgenschwer, die Plattensammlung eine Anhäufung beschmutzter Rillen, lachst mich in der Nacht an im Traum, dann wieder Gespenster, ich trage sie durch die Schluchten meiner Fratze
    in Spiegeln eine fortgestohlene Welt, wo immer der Pechbrand Nahrung sucht, dort ist immer auch die Kantate in den Rachen gebrannt
    (der Rhapsode weiß nur, weil er blind)
    die Wiese war größer, schlanker als ich, Kräuterluft zog dünstend, dunstend nüsteraufwärts, Sandalenplatt stand ich vor dem wilden Urwuchs, wie sich Grashalme, Disteln an mich räkelte, Lupinen rasselten, Bienen schwärmten, stand der Sommerkluft Aug in Aug gegenüber, brach nicht der Pfanzen Halm, Erde zu erspüren, warmfeucht wie ein erster, wichtiger Traum, der in den Säften wühlt, Bilder sind aus diesem Nektar geworden, geronnene Geister, junge Entitäten
    (Blöße in den Netzen der Nachtfischer)
    sonst aber sonderbar nichts, nur Spuren, ein Schleim der Wonnen, die noch immer im Geheimen schlummern, in den ersten Entdeckungen persönlicher Labyrinthe, Wind trägt herbei Schalen voll und Körbe voll
    (Herbarien, überraschende Brisen)
    nimmt sie von hochgereckten Köpfen, tanzenden Blüten, schlingernden, sattgrünen Pedalen, ich, vom Staunen Teil der Kraft, ergab mich Sommerlicht, wohliger Hitze, vertanzte mit dem Buntgrün den satten Vormittag
    Welten – zwey, drey
    (ohne die unendlichen Nullen dahinter)
    flirrten unruhig zitternd, szintilierten strahlend, gleißend über den Baldachin hinfort, bedachten das Erdlein mit keinem Blick
    (zu weit entfernt, zu wenig gespreizte Beine)
    und kümmerten sich um eine Verabredung drüben am Fluchtpunkt
    – Dance the Ghost with me
    ja, sie tanzten den ‹Geist›, so als ob überhaupt kein Körper da wäre, der die alleinstehende Bewegung hemmt, die Figur wichtiger als das Motiv, vergänglich
    (ein Jitterbug)
    Yoruba & Bantu sämen das magmatische Blut
    das Zimmer, der Schrank, die Kommode, die Parfümflaschen, das Zimmer
    (eine Puppenstube)
    Schurwolle & handmarmorierter Märchenfilz, gibt es denn eine gedachte Rinne für schwitzende Kissen, einen theoretischen Abstell=Halbmesser für eine Tasse Kaffee ohne Untersetzer, mit Untersetzer, ein Develey=Senfglas?
    man kann nicht aufstehen und tanzen, es gibt keinen Radius in diesem Juke Joint für Grundschritt, Wegdrehen, Retourdrehen, Platzwechsel, Handwechsel, Licht läßt sich kombinieren, die Kerzen leuchten auch bei Tag dann erzittern die Gegenstände, betatschen sich
    entlang der Wand als Schatten, vom nahen Wald dringt der Geruch der großen Fichten durch das geöffnete Fenster, die Schafe blöken zum Fließen der Eger, dicke Teppiche schlucken jeglichen Lärm und auch das Lustgeschrei der Mädchen
    (manchmal riecht es nach Alkohol und nackten Menschen)

Veröffentlicht von

Michael Perkampus

Michael Perkampus war Moderator der Literatursendung Seitenwind für Radio Stadtfilter in Winterthur. Er ist Autor, Übersetzer und Herausgeber des Phantastikon.