Robert Aickman ist selbst in seinem Heimatland England ein vergessener Autor. Der 1914 geborene und 1981 an Krebs gestorbene Schrifsteller ist für Peter Straub der “tiefgründigste Verfasser” von Horrorstories des 20. Jahrhunderts. Eine Leserschaft, die ihn über den Kulstatus hinaus brachten, fand er zu seinen Lebzeiten nicht. Das will der renommierte britische Verlag Faber & Faber zu Aickmans Hundertsten Geburtstag nun ändern und veröffentlicht eine Sammlung seiner lang nicht mehr in Druck befindlichen Erzählungen.
48 “strange stories”, wie er seine Geschichten selbst nannte, sind von ihm bekannt. Für seine “Pages from a Young Girl’s Journal” bekam er 1975 den World Fantasy Award.
Aickman assistierte seinem Vater in dessen Architekturbüro, bevor er 1944 seine eigene Firma gründete. 1951 veröffentlichte er ein Buch mit Kurzgeschichten zusammen mit seiner Sekretärin Elizabeth Howard, zu dem er drei Erzählungen beitrug.
1964 wurde seine erste eigene Sammlung veröffentlicht, “Dark Entries”. Zu seinem Lebzeiten erblickten weitere fünf Bände das Licht der Welt, sowie ein Roman und eine Autobiographie. Zwischen 1964 und 1972 war er als Herausgeber der ersten acht Bände der Serie “Fontana Book of Great Ghost Stories” tätig.
Posthum wurden wurde eine letzte Sammlung, ein Roman und der zweite Teil seiner Autobiographie veröffentlicht. Seine “besten strange stories” wurden in dem Band “The Wine Dark Sea” (1988) und “The Unsettled Dust” (1990) veröffentlicht.
Aickmans Großvater war der victorianische Schriftsteller Richard Marsh, der 1897 seinen Besteller mit “The Beetle” hatte (dt. “Der Skarabäus”), der sogar Bram Stoker’s Dracula auf die Plätze verwies.
In deutscher Übersetzung ist es natürlich noch schwieriger, etwas von Aickman zu finden, aber nicht aussichtslos. So sollte man nach “Glockengeläut. Makabere Erzählungen” sowie “Schlaflos. Makabere Erzählungen” aus DuMont’s Bibliothek des Phantastischen suchen.
Aickmann war ein kultivierter Ästhet und gibt Ängste, die auch jene Kafkas gewesen sein könnten, in einem präzsien, etwas erhöhnten Stil wieder, als ob er hinter einem Schleier der Gelehrsamkeit stünde, von wo aus er den Leser anspricht. Aber Aickman gehörte zu einer späteren Generation und war freier, so daß er die wirbelnden Ströme der Sexualität tiefer in seinen eindringlichen Geschichten einarbeiten konnte. So behält auch der Titel seines Buches “Dark Entries” etwas von der finsteren Doppeldeutigkeit, etwas Nachtaktives und Obszönes.
In Aickmans Geschichten wird niemals die vorrangige Natur des Merkwürdigen enttarnt, das seine Figuren umgarnt. Zur Hälfte sind diese an ihrem eigenen Untergang mitbeteiligt, wenn sie ins Unbekannte gezogen werden wie in einen Traum, mit schlafwandlerisher Sicherheit.
Aickmans ‘seltsame Geschichten’ sind Geheimnisse ohne Lösung, jede endet mit einer wehmütigen Note über unsere rissige Kenntnis, über die Mehrdeutigkeit der Wirklichkeit.