Der schmachtende Wind, Absatz 1, Diegese & Metadiegese
Hatte jemand zwischen den Rauhnächten gewaschen und damit ein Los gezogen, nimm, Herr Wode das Dorf nicht achtlos links, kehre ein mit deinem Totenheer, der hartgerippte Steinboden sei dein Totenacker, sei dein Kältebad auf deiner wilden Jagd, entfesselter Wind, als der Nachtwind stumm um die Häuser patrouilliert, die schneebedeckten Zweige schüttelt, hier entlang! Hat jemand die Wäsche gewaschen? Die Zweige zeigen sich dankbar für jede Regung, die man ihnen antut, damit sie wenigstens ein bißchen Gewicht verlieren, denn lange noch, lange noch müssen sie den Perchtenmantel tragen. Der bettelarme Baum: und jeder Baum ein bettelarmer Baum, entkleidet sind die Lauben, das Immergrün von hexagonalen Kristallen besetzt, die Steintreppen stiller, die Schorne, gewaltig sich streckend, erscheinen doppelt so groß in ihren Schieferkleidern, durch das Feuer gestärkt, das in den Küchen und Stuben das Leben erhält, auch die Dachstühle stiller. In der dumpfen Wärme der Ställe scharrt das Vieh, keines deiner Länder, Sturm, ist dies, aber das Heer ist abgebogen und donnert, die Wäsche gewaschen und pfeifend, heran. Die Geräusche sind kalt und unwirklich und die Unwirklichkeit ist ein Geräusch der Ferne, das näher und näher kraucht. Zuweilen durchdringt ein unterdrücktes Bellen den Ritt. Das könnte Bella gewesen sein, der schwarze Labrador des Schäfers Herold, der – lange währt die Zeit der Erinnerung – den letzten frei laufenden Keiler bezwang, nachdem der in sein Haus eingedrungen war, man weiß nicht wie es kam, wütend wie der Kerberos nach einer Rebellion der toten Seelen, tief im Matsch versunken und trotz Blattschuß noch im Todeskampf das Vestibül zu Kleinholz marschierend, in dem sein ausgestopfter Schädel links neben dem Eingang über einem Jagdtisch mit fünf Beinen und aufwendigen Schnitzarbeiten heute noch die Wacht hält, versteinert und borstig, vor allem aber verstaubt, umgeben von einem Holzrahmen aus heller Eiche. Lorbeerblätter und Datierung fehlen nicht. Bella war zu dieser heroischen Stunde, als der Keiler sein Anliegen ungestüm vorzubringen sich erdreistete, noch nicht des Schäfers verlängerte Schnauze, und als sie dann den starren Blick des Ungeheuers dort an der Wand zum ersten Mal gewahrte, die schielenden kleinen Glasaugen, den aufgesperrten Rachen, da weigerte sie sich, im Haus zu schlafen. Kein guter Anfang für ein künftiges Vertrauensverhältnis, denn, so dachte der Herold, den Schafen näherten sich ganz andere Störenfriede, und ein Hündchen, das davonlief, anstatt sich mit gesträubtem Fell und starrer Rute selbst einem Tyrannosaurus entgegenzuwerfen, wird wohl kaum geeignet sein, in diesen finsteren Jagdgründen für das Gerücht der Unbezwingbarkeit und Spaßlosigkeit zu sorgen, ein notwendiger Umstand aber, denn lebt nicht schier alles von Gerüchten, von überlangen Schatten, von unsinnigen Taten, die in jeden Rahmen sprengender Vernunftlosigkeit erst zur abschreckenden Blüte werden? Seine Bella, so hätte es der Herold gerne verkündet, springe selbst ihr eigenes Spiegelbild in den Pfützen an, wo sie sich den Durst stillt, nicht zulassend, daß selbst ihre Reflektion der Herde zu nahe kam. Die Hündin bekam jedoch – erste Runde des Eigensinns – im Hof der ehemaligen Wendenschuch-Mühle, umgeben von der Herrenwohnung, den Stallungen, dem Hirtengebäude und dem Tropfhaus ihr Plaissier, sichtlich froh darüber, so ganz ohne Bilder, Tand und Trophäen an den Wänden ihren selbstgestalteten Träumen nachzugehen, wobei sie – und da sei der Vollständigkeit halber erwähnt – einen ihren Träume ganz besonders schätzte, in dem sie sich von einem Widder, dem sie doch positionsmäßig vorstand, von Hinten (anders war es ihrer Natur leider nicht vergönnt) nehmen ließ.
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