Hobelfinder
Ich wollte gestern nachsehen, ob ich einen vernünftigen Rasierhobel finden könnte, um die Zeit, bis das Rasiermesser endlich einträfe, zu überbrücken. Es ist zwar so, daß ich selbstredend einen habe (wie sollte ich mich sonst schaben?), aber die gekauften Rasierklingen nicht passen. So muß ich mit fast schon tauber Schneide übers Mittelgebirge kommen. Und natürlich fand ich weder das noch fand ich eine gute Pomade. Eigentlich wollte ich mich weigern, das, was ich benötige, übers Internet zu beziehen, aber – ich wette, in Berlin würde ich das alles finden – was bleibt mir übrig? Mit zunehmender Konsequenz wird deutlich, wie man eine Authentizität und einen Ästhetizismus immer schwerer leben kann. 1992 in Mexiko hatte ich mir mit einem dort erworbenen Rasiermesser noch das Gesicht zerschnitten, weil ich mich rasierte, wie man sich in unserer geistlosen Zeit eben rasiert. Mein Großvater aber war es, der mir das Enthaaren des Gesichts als ein Ritual vorstellte. Er benötigte fast eine Stunde im Bad, hatte mehrere unterschiedliche Hobel, die eine innere und äußere Glätte hinterließen. Und das bei seinem schwierigen Gesicht. Kaffee trinken, Rauchen, ein Coltrane-Solo – erst dann fühle ich mich bereit für den Tag. Natürlich sind das alles Experimente, die mich irgendwo hinführen sollen, und die das auch tatsächlich tun. Daß ich Kaffee zB: nur aus Porzellantassen trinke, mag als Spleen angesehen werden, und daß der Kaffee dann besser schmeckt, was ich behaupte, als Illusion, aber spielt das eine Rolle, da doch unsere ganze Existenz auf einer Illusion beruht?
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