>Du bist die Stadt – Der Du-Fährst-Nicht-Allein-Klub III

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Zunächst bemerkt er einen modrigen Geruch, oder nein: diesen “leeren” Geruch, den man aus Leichenhallen kennt, heruntertemperiert und an sich sauber. Merkwürdig berührt kramt er Kleingeld aus der Hose, sagt den Namen des Ortes und wartet auf eine Antwort, die sich nach ‘Vierachtzig’ anhört, aber es kommt keine.
Okay, denkt er, du musst mich nicht anschauen, du Arschloch, aber sag mir wenigstens den Preis. Der Busfahrer, ein Klon von John Belushi in Blues Brothers, regt sich nicht. Pappmaché in einer Geisterbahn, der Gondoliere des Todes, der das Remo gegen ein Steuer getauscht hat. Timothy wiederholt sein Fahrziel, legt einige Münzen auf das Gehäuse des Wechselautomaten, sagt: “Alles in Ordnung mit Ihnen?” Als immer noch keine Reaktion folgt, klaubt er das Geld wieder zusammen und geht einfach in den Magen des Vehikels hinein. War das nun seltsam oder was? Als sei er überhaupt nicht vorhanden gewesen. Kostet das am Ende um diese Zeit nichts mehr? Happy Hour? Davon hat er noch nie etwas gehört. Aber warum eigentlich nicht? – man könnte sich ja für die Konkurrenz entscheiden … wenn es sie denn gäbe. Er ist schon lange nicht mehr Bus gefahren, fühlt sich nach diesem peinlichen Auftakt wie auf einem Laufsteg, und ist froh, dass hier wirklich nicht viele Leute sitzen. Es schaut auch keiner in seine Richtung. Ein neues Wort fällt ihm ein: Neugierdelos. Kostet nix und es interessiert jeden einen Scheißdreck, wer du bist. Der Bus fährt an. Die Gegenbewegung wirft ihn in die hintere Region, wo er sich ohnehin am wohlsten fühlt. Er hatte mal gelesen, dass man eigentlich in der Mitte am wahrscheinlichsten überlebt, aber gehört, dass es genau da auch eine Sollbruchstelle gibt. Überm Radkasten, hinter der Stange fühlt er sich Letzterem entkommen und Ersterem sehr nahe. Eine ganze Stunde wird er dieses Geschaukel jetzt ertragen müssen. Er hat es versprochen. Die anderen starren aus den Fenstern, womöglich hätte man hier auch nackt herumsitzen können. Dann fällt es ihm auf: Hüte! Die tragen alle Hüte! Nicht nur der Fahrer. Fünf Fahrgäste zählt er, und einer sieht wie der andere aus, sagen wir, wie Leichenbestatter, oder sehr, sehr traurige Hochzeitsgäste. Nun hab dich nicht so! Vielleicht gehören sie ja irgendwie zusammen … Und der Fahrer? Ja, auch der Fahrer. Eine Gruppe von … von solidarischen Mitfahrern? Der Du-Fährst-Nicht-Allein-Klub. Sowas in der Art. Es kostet nix und du fährst nicht allein!