Halkyonische Tage

    die Figuren umkreisen das Zentrum ihres Universums, in dem die Zeit aufgehoben ist, vordem hatten die Zeiger die Ränder aufgebracht, scharfklingig, mit erstaunlicher Lust, ein Gemetzel anzurichten, das jetzt noch nicht wahrzunehmen ist, ein Meer, Ebbe & biegsame Flut, ein Universum, randgefüllt mit Wasser, aus einer unsagbaren Ferne wehen die Klänge dickbreiiger Musik, die Sprache eines Pentagruel im Wasser
    (auf der Suche nach der Flasche)
    das Rätsel des Raumes, ich könnte mich erinnern, aber ich erinnere mich nicht an den Tag, der aus fortschreitendem Abend bestand, das Gras roch wie nächtliche Haut, die Dosen schepperten gegen Steine & Hausbeine, zwischen Pull=Over=Pfosten hindurch
    (wir sind Reisende in Kronos)
    wir sind aufgeklappte Schilde, tugendhafte Gespenster, beanspruchen Sichtbarkeit nur für den mitternächtlichen Moment, wiederholen das Spiel der Jahrhunderte
    (die Taschen gefüllt mit Froschskeletten)
    mit Händen, die in eine Richtung deuten, die es längst nicht mehr gibt, entschwunden im Geröll unzähliger Geschichten, die alle dasselbe meinen, die Grenze möglicher Wanderschaft
    (als ich mich umdrehte, sah ich etwas, über das ich nie Worte verlor)
    die Ereignisse müssen sich, unterschiedlich benannt, wiederholen, Schall
    (Ausbreitung von Druck, Dichte, Temperatur, Geschwindigkeit)
    ich sah den Winter in allen Gefilden, Halkyone & ihr Gatte Keyx bereits in Eisvögel verwandelt, kein Ruf, den man der Nachtigall stielt, nur zwei Menschen sind alle Menschen, nur eine Insel ist ihr Bett, und nur das Schweigen ist ihr Tod, das Geräusch deiner Bewegung, wenn du nicht mehr bei Sinnen bist, wenn du glaubst, daß die Tore sich bald weit öffnen werden, große Tore, so groß wie hoch wie weit, da kommen wir her, aus dieser Erinnerung, es entsteht ein Vorhang mit eisigen Nüstern
    (das Pferd von Füssli entsteht)
    die Träume sind die Gattung, der Alptraum ist die Art
    (Rose, Maske, Münze, Verbrechen, Liebe, Tanz, Furor)
    um im Traume den Schaden abzuwenden, wiederholt man dreimal die sehr berühmten Worte des Götz von Berlichingen, die Bleichweiber zeigen indes dem Hagel den nackten Hintern, auf demselben lassen sie sich das Brot kneten, doch da ist etwas an den Büchern
    (wenn man den Frosch nicht küßt, den Apfel nicht reibt)
    nichts als Gaukelei, vielleicht der letzte Ort
    (wir sind Reisende in Kronos)
    – Wie schwer es für dich war mit dem Kummer einer Epoche
    sonderbare Zeichen hinter der Schulter
    – Es war einmal
    (der Kummer einer Epoche)
    das Jahrzehnt hat sich nicht gänzlich zu verabschieden gewußt, tief in der Erde fließt noch Blut, pulsiert ein Herz aus Granit
    (ich erzeuge Wellen)
    unterschiedliche Töne und Szenarien, die lose von der Decke herunterhängen wie Lappen, die auf einen Tisch geworfen wurden, Europa, der alte Kontinent, der seine überaus wirksame Magie an seine Außenränder hinausdrängt
    (Andalusien, Normandie, Bretagne, Irland, Skandinavien, Britannien, Griechenland)
    der Versuch, unter der Eisdecke die Einbruchstelle wiederzufinden, weiß ich, wie du dagegen gepocht und geklopft hast, um von unten ein Loch in die Eisdecke zu hauen, die Augen aufgerissen, schon wie ein Gespenst, die Haare Algen, die um ein Kalkgesicht schweben, haariges Wasserschweben, im Wasser schwebendes Haar, jedes Wort, jeder Ruf eine Sprechblase ohne Worte darin, nur angefüllt mit ranzigem Leben
    (und stumm)
    als die Gestalten, die du sonst nur träumtest, plötzlich durch Zeit und Raum brachen

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