Glarean Magazin

Ein wahres Kult-Gefäß für Lyrik

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Die Literaturzeitschrift «Das Gedicht»

Walter Eigenmann

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das-gedicht-nr14-glarean-magazin.jpg«Das Gedicht» und sein Gründer/Herausgeber Anton G. Leitner sind längst so etwas wie Lyrik-Kult im deutschsprachigen Literatur-Raum. Und der jüngste, inzwischen vierzehnte Band leistet diesem Ruf weiter Vorschub. Gemäß dem Titel  «Am schönsten ist ein Tierkonzert» geht’s diesmal tierisch zur lyrischen Sache – und zwar vollgestopft auf 180 Seiten (wovon allerdings, leider ganz unlyrisch, grauslig viel Platz dem schnöden Mammon, sprich der Werbung geopfert wurde…). Unterm zweiten Leitmotiv «Die Arche der Poesie» schart dabei «Gedicht»-Macher Leitner Dutzende von bekannten (bzw. unbekannten) Lyrik-TexterInnen um sich und lässt sie über Tiere im allgemeinen und das Tier im besonderen poetisieren.

Wohltuend dabei, wie breit man die inhaltliche und die stilistische Palette fächerte, und wie viel auch Witziges bis Geistreiches dem Thema abgewonnen – teils auch abgerungen – wurde. Wunderbar zudem, dass der Band dem einzelnen bzw. Einzelnen stets die ganze Druckseite schenkt – bis runter zum Zwei- oder Dreizeiler. Kontrast-Reichtum scheint immer noch Programm zu sein beim «Gedicht» – sehr schön! Auch das zeitliche Spektrum reicht von Goethe (+1832) bis Schmelzer (*1982) und von Mayröcker (*1924) bis Gaponenko (*1981) – wobei natürlich der Moderne der Löwenanteil zustand. Und schließlich: Was sich übers Jahr so an Lyrik-Publizität in den Landen anreicherte, nimmt äußerst facettenreich Platz unterm Stichwort «Erlesener Gedichtweizen» im hintersten Drittel des Buches, wo «242 bemerkenswerte Neuerscheinungen» eine kurze Besprechung erhielten. Dass man sich dabei hie und da (bzw. je etwas unzulänglich verbrämt) einfach bei den entspr. «Verlags-Infos» (= Reklame) bediente, ist angesichts der Riesenfülle zu bewältigender Lyrik zu entschuldigen.

anton-g-leitner

Lyrik-Promotor Anton G. Leitner

Alles in allem eine definitiv «tierisch» gute (und bibliophil dezent-sorgfältig gestaltete) Edition, die nicht nur dem «Gedicht», sondern auch dem Gedicht Ehre einlegt. Bleibt so viel üppiger Lyrik-Vielfalt und -Stimmungsfülle nur noch das entsprechend sensible, phantasievolle und doch reflektierende Lesepublikum zu wünschen. Auf dass wenigstens «Das Gedicht» als eine der zurecht renommiertesten deutschprachigen Lyrik-Anthologien jenes maliziöse Wort Lügen strafe, welches argwöhnt, dass es weit mehr Lyrik-Schreibende gebe als Lyrik-Lesende… Und auch, dass es niemandem bei der Lektüre gehe wie dem Wiener «Franzobel» (alias Stefan Griebl, *1967), der aus Seite 59 zitiert sei:

Zoo

A Fisch in an Woid wird net recht oid.
A Vogerl im Wossa hot nix zun locha.
A Nülpferd beim Billa habert se sche on.
A Muckn im Marmalad is jetzt endlich stad,
im Ketchup a Fliagn kunnt ma daviagn,
im Soft vun am Schweinsbrodn kunnt mas daschschlogn.
Wos brauch i de Vicha, des gfickerte Zeig?
Wos schern mi de Offn, de Hudt und de Kotzn?
De Hamster von mir aus, de Meis und de Rotzn,
da Ohrschliafa, Mottn, olles ausrottn.
Alles nur Vicha, wos gengan se mi on?
Nur de Micky Maus, in Goofy und in Doand Duck
loaß i ma eiredn. In Rest haun ma zruck.

I N H A L T

Lyrik »Auf freier Wildbahn«, Johano Strasser
Tiergedichte von Friedrich Ani, Ulrich J. Beil, Nico Bleutge, Erika Burkart, Alex Dreppec, Adolf Endler, Franzobel, Sylvia Geist, Johannes Kühn, Fitzgerald Kusz, Anton G. Leitner, Hans Manz, Kurt Marti, Friederike Mayröcker, Arne Rautenberg, Monika Rinck, Gerhard Rühm, Said, Walle Sayer, Silke Scheuermann, Michael Schönen, Ludwig Steinherr, Jan Wagner, Michael Wildenhain, Mario Wirz, Frantz Wittkamp und anderen.

Essay »Hälfte des Lebens« ist der Spitzenreiter
Ulrich Johannes Beil: Eine Arche für die Poesie. Die liebsten Gedichte der Dichter. Das Ranking mit den Top 10-Tabellen. Zehn gerettete Gedichte von Matthias Claudius, Annette von Droste-Hülshoff, Joseph von Eichendorff, Johann Wolfgang Goethe, Karoline von Günderrode, Hugo von Hofmannsthal, Friedrich Hölderlin, Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz und Marianne von Willemer. Zehn poetologische Statements von Kurt Drawert, Franz Hodjak, Ron Winkler und anderen. Zehn Tipps für Kids u. a. von Max Bolliger und Klaus Merz.

Kritik Die wichtigsten Novitäten 2004 bis 2006
Nico Bleutge und Anton G. Leitner haben die Lyrikproduktion deutschsprachiger Verlage gesichtet. Sie rezensieren 90 Titel und listen rund 200 weitere Neuerscheinungen auf.

«Das Gedicht» Nr. 14-2006/07, Zeitschrift für Lyrik, Essay und Kritik, A.G.Leitner Verlag, 180 Seiten, ISBN 978-3-929433-66-1

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