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Virtuell Schach spielen – einfach, praktisch, gut
von Walter Eigenmann
Seit es das World-Wide-Web 2.0 gibt, gibt’s auch internationale Server, die jedermann/-frau das virtuelle Gamen und Zocken am Computer ermöglichen – Internet-Seiten also, wo man sich in Minutenschnelle (mit Echt- oder Pseudo-Namen) anmeldet, um dann gegen zahllose andere Spieler/innen weltweit in allen möglichen und unmöglichen Spiele-Sparten antreten zu können. Hier eine kleine Auswahl der besten Online-Schach-Portale.
Gross und mächtig: Chessbase & Co.

In Sachen Schach mischt seit vielen Jahren die Hamburger Software-Schmiede Chessbase („Fritz“) ganz vorne in der Online-Szene mit, und in deren zahllosen virtuellen Turniersälen tummelt sich zu jeder Tages- und Nachtzeit tausendfach der Anfänger wie der Profi, der Patzer wie der Grossmeister. Handling, Organisation und Funktionalität von „Schach.De“ bzw. „PlayChess“ genügen absolut professionellen Ansprüchen, was die enorme Beliebtheit dieses Schachservers begründet. Sogar ganze Vereine können hier ihre Mitgliedschaft zu Blitzturnieren einladen/anmelden, und regelmässig gastieren internationale GM-Koriphäen mit Video-Theorieschulungen oder Simultan-Vorstellungen. Einen Nachteil für Gelegenheitsspieler hat aber Chessbase mit vielen anderen Anbietern gemeinsam: der Dienst ist kommerziell bzw. nur anfänglich kostenlos.
Ein weiterer, insbesondere im angelsächsischen Raum ebenfalls tausendfach frequentierter und seit Jahren bewährter Schachserver ist der Internet Chess Club (ICC). Auch hier ist das Spielangebot für Anfänger, Vereins- oder Meisterspieler gross, wenngleich für Teilnehmer mit ggf. rudimentären Englischkenntnissen das Handling vielleicht etwas anstrengend ist. Grösster Nachteil für den Amateur-Gelegenheitsspieler allerdings auch hier: Nur der erste Monat ist gratis, anschliessend geht’s aufs Portemonnaie.
Kommerziell kontra nicht-kommerziell

Natürlich wäre das Internet nicht das weltumspannende Virtual Net, wenn sich gerade im Schach-Bereich nicht auch diverse interessante Server tummelten, die das Online-Schachspielen kostenlos frei Haus liefern. Wer hartnäckig recherchiert im Netz, entdeckt mit Sicherheit zahllose weitere Schach-Portale, kleinere oder ganz kleine, wo sich nach Herzenslust, in klein-intimem Rahmen mit der Compi-Maus die Schachfiguren rumschieben lassen. Sogar die gewaltige FIDE, der weltweite Dachverband aller organisierten Schachspieler, ist inzwischen auf den Geschmack gekommen und bietet das Online-Spiel ebenfalls an unter ihrer „Arena“-Seite (inkl. Rating-System…)
Seit bereits einiger Zeit wird nun der internationale Schachserver-„Markt“ mit einer neuen Website aufgemischt, die es mir persönlich ganz besonders angetan hat, nämlich lichess.org.
Online-Schach am Beispiel „lichess“
Zu diesem Server fallen einem Stichworte ein, die jeden Online-Schächer in Verzückung versetzen: werbefrei, kostenlos, übersichtlich, vielfältig, verbreitet, computerfrei, lehrreich – dies alles sind unschlagbare Attribute, die auch den Autor dieser Zeilen zu einer Anmeldung bewogen… (Ok, ich geb’s zu, ich bin auch noch bei anderen Schachportalen Mitglied… 😉
Für all jene, die (z.B. wie ich) momentan Schlechtwetter-Ferien haben, oder die – wegen Betriebsferien des Lokals – nicht an ihren Klubabend gehen können, oder die eher nachts als am Tag schachspielen möchten, oder die pensioniert sind und Zeit en masse haben, oder die aus irgendwelchen privaten oder medizinischen Handicap-Gründen nicht in einem regulären Schachverein mitmachen können, oder einfach überhaupt für alle, die schon immer mal Schach im Internet spielen wollten, aber sich noch nie trauten – für diese ist lichess.org mit Sicherheit eine der allerersten Adressen.

Das Anmelden gestaltet sich denkbar simpel (und funktioniert bei den meisten Schachservern ähnlich): Auf der Hauptseite 1. gewünschten Namen ( = Pseudonym) eingeben – 2. gewünschtes Passwort schreiben 3. Captcha-Abfrage ( = einfache Schachaufgabe) bestätigen – und schon kann’s losgehen. Oben stehen als Ausgangspunkte die Menüs „Spielen“ (fürs Aufspüren/Einladen der Gegner), „Partien“ (fürs Kiebitzen bei laufenden Games), „Training“ (z.B. fürs Lösen von Schachaufgaben), „Turniere“ (für die Teilnahme/Eröffnung neuer Blitz-Turniere), „Schachspieler“ (für die Mitglieder-Recherche), „Mannschaften“ (fürs Beitreten zu internationalen Spieler-Gruppierungen) und „Forum“ (fürs Diskutieren über diverse Schach- und andere Themen mit Gleichgesinnten) zur Verfügung.
Kein Computereinsatz bitte!
Bereits bei der Registrierung wird einem deutlich klargemacht, dass die Zuhilfenahme von Schachcomputern bzw. -engines auf „lichess“ grundsätzlich verboten ist. (Die meisten Schachserver setzen mittlerweile spezialisierte Software ein, die die Menschen-Partien auf typische „Computerzüge“ hin analysieren, und die mit ihren Qlgorithmen teils äusserst effizient als Ermittler funktionieren). Es sei denn, man wolle nicht mit, sondern gegen die Bit-Virtuosen antreten – zurzeit ist das die bekannte Chess-Engine „Stockfish“, deren Spielstärke man in 8 Schritten runterdrosseln kann (damit man als Mensch nicht schon in 15 Zügen unter die Räder kommt…)

Selbstverständlich lässt sich auch die Option „Mit einem Freund spielen“ anklicken, sprich eine Rundum-Einladung mit gezielten Vorstellungen bezgl. Bedenkzeit und gegnerischer Spielstärke verschicken. Wer „nur zum Plausch“ mitmachen, also seine Partien nicht werten lassen will, kann auch dies tun. Weiters kann man sich in einen der angebotenen „Autopairing-Pools“ einspeisen und erhält dort schnell einen Gegner (gemäss selbstdefinierter Bedenkzeit) zugeteilt. Wie bei vielen anderen Portalen ist aber auch bei „lichess“ das Mitmachen als Nur-Gast ohne Registrierung eine Option – für das gelegentliche Spielchen zwischendurch.
Schön – einfach – gut

Was gilt es im Zusammenhang mit „lichess“ noch an Highlights zu erwähnen? Beispielsweise, dass sogar Anhänger der nach wie vor exotischen, seinerzeit von Bobby Fischer propagierten Spiel-Variante „Chess960“ auf ihre Kosten kommen. Oder dass man seine Partien gleich im Anschluss nicht nur als PGN runterladen und damit sammeln, sondern vom Computer bzw. einer Schach-Engine sogar analysieren lassen kann – versehen mit allerlei Statistik sowie mit Zug-Kommentaren wie „Ungenauigkeiten“, „Fehler“ oder „Patzer“ (sowohl im eigenen Spiel wie in jenem des Gegners…)
Alles in allem: „lichess“ ist einfach nur empfehlenswert, eine wirkliche Alternative zu den grossen kommerziellen Anbietern. Klein und schlicht, aber oho: Schönes Layout, einfaches Handling, viele Optionen, und praktisch jederzeit mit einem Spielerfeld von 1’000 bis 1’500 Teilnehmern aller Nationen und Levels verfügbar – was will das Herz des Online-Schach-Zockers mehr!?
Nur eines ist m.E. noch schöner als Schach am Compi: Die reale Partie in einem realen Verein am realen Brett gegen einen realen Menschen… ♦
Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Computerschach auch: Die beliebtesten Schachprogramme (Umfrage)
… und lesen Sie auch die neue Serie mit Schach-Aufgaben: Godzilla Endgame Chess Puzzles (2)
Ich habe mit Online-Schach nur super tolle Erfahrungen gemacht. Unzählige Features, es ist zum Lernen genauso gut geeignet als zu Spielen. Habe tolle Lektionen gemacht und schon viele nette Menschen von der ganzen Welt kennen gelernt. Bis jetzt und ich spiele seit Jahren täglich, habe ich nur freundliche und nette Chats geführt. Ich kann zu jeder Tages- und Nachtzeit spielen. Die Korrespondenz Partien haben den Vorteil, dass ich mir die Zeit einteilen kann. Viel besser als am Brett, da braucht man eine bestimmte Zeit, die man nicht gestört werden will. Aber auch für rasche Partien zum Üben finde ich immer Partner und ab und zu übe ich auch ganz gerne mit Stockfish. Die Wertung ist mir zwar nicht wichtig, aber es ist eine ungefähre Kontrolle für mich, ob ein Fortschritt da ist. Ja, Schummler gibt es wahrscheinlich, aber ich denke, die betrügen in erster Linie sich selbst, denn mir ist das relativ egal. Ich spiele ja sowieso auch gegen den Computer. Am besten sind aber die Partien mit meinem Partner, mit dem ich früher nur am Brett spielte. Jetzt ersparen wir uns sämtlichen Aufwand, begonnen mit der Anreise. Auf chess.com bin ich helmuthirner und auf lichess HiHe falls jemand gegen einen Anfänger spielen will.
Ich kann sagen, dass ich mit Online-Schach insgesamt keine guten Erfahrungen gemacht habe. Egal, ob lichess, chess.com oder chess24.
Was sind die Probleme:
1. Praktisch niemand spielt lange klassische Partien online. Online-Schach ist zum größten Teil Blitz und Bullet. Vielleicht liegt es am Bildschirm, den man wohl nicht lange anschauen kann, um sich in eine Stellung wirklich zu vertiefen. Wenn man stereotyp an einen Schachspieler denkt, dann ist das ja eine Person, mit aufgestützten Ellenbogen und den Fingern um den Augen. Wer sitzt so vor dem Monitor? Der Online-Spieler ist ein Zocker mit zuckender Maus. Ich gebe in diesem Zusammenhang zu, dass ich ein schlechter Blitzspieler bin. (Auf lichess war ich so um die 1800.)
2. Das spielbegleitende Chatten ist fast immer beleidigend. Teilweise dermaßen unter der Gürtellinie, dass man nicht an ein schachspielendes (irgendwie „intellektuelles“) Gegenüber glauben mag. Dazu kommen die zahllosen schlechten Verlierer, die in schlechter Stellung die Partie einfach verlassen, weil sie es nicht fertigbringen, formaliter aufzugeben.
3. Als wesentliche Stärke der Online-Anbieter gelten die Taktik-Übungen. Diese allerdings treiben einen schon auch in Richtung Psychiatrie. Vor allem, da auch diese „Puzzles“ an ein Rating gebunden sind, das nur eine einzige richtige Lösung kennt. Jeder Schachspieler weiß, dass das nicht der Realität am Brett entspricht. Gleich gute Züge oder vielleicht langsamere Gewinnzüge kennt das System nicht. Der Mensch soll dahin gebracht werden, wie stockfish zu spielen. Aber das ist gar nicht mein Ziel. Gott sei Dank bin ich keine engine.
4. Vor allem das schon erwähnte Rating ist problematisch. Eigentlich will ich gar nicht spielen, sondern nur meine Punkte zurückholen. Und noch eins und noch eins und noch eins. Schon bald steht das suchtartige Punktezurückholen im Vordergrund. Online-Schach hat einen enormen Suchtfaktor und das meine ich nicht als Kompliment. Wer würde schon am Brett 50 Drei-Minuten-Blitzpartien hintereinander spielen? Kein normaler Mensch, oder? Online ist das ganz normal.
Das Problem bei den Online- Schachanbietern ist, dass zu viel geschummelt wird. Egal ob nun Schach.de, oder play.chessbase. Zum üben mögen die Anbieter gut sein, aber bezahlbare Mitgliedschaften, wo eh offensichtlich nur geschummelt wird, haben einen faden Beigeschmack. Letztens zählt nur das Kommerzielle und der Spaß bleibt auf der Strecke.