Das Zitat der Woche
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Der moderne U-Journalismus
Sigrid Löffler
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Wir erleben zur Zeit einen Umbruch im Selbstverständnis der Journalisten, einen Funktionswandel von Journalismus überhaupt – weg vom kritisch argumentierenden Informationsjournalismus (E-Journalismus), hin zum pflegeleichten und marktfreundlichen Dienstleistungsjournalismus (U-Journalismus).
Der E-Journalismus läßt sich bekanntlich nicht rationalisieren. Und zwar deshalb nicht, weil man die Herstellung von Qualitäts-Information nicht technisch vereinfachen kann. Für die Produktion von Information sind Recherche, Analyse und kritisches Urteil erforderlich, die in der Beschaffung aufwendig, mühsam und teuer sind. Der E-Journalismus läßt sich nicht rationalisieren, er läßt sich nur umgehen. Man kann ihn durch Surrogate und Imitate ersetzen, man kann ihn durch Billig-Kopien substituieren. Eben dies ist eine Strategie des U-Journalismus.Der U-Journalismus ist Journalismus light. Er sieht sich als Vehikel der Unterhaltung, nicht als Instrument ernstgemeinter Information. Seine politische Haltung orientiert sich an den Markt-Erfordernissen. Politische Inhalte sind transformiert zur Markt-Veranstaltung. Der U-Journalismus versteht sich nicht mehr als Transporteur von Meldungen, er versteht sich schon gar nicht als kritische Instanz mit ausgebildeter und unabhängiger Urteilskraft, und schon überhaupt nicht als Kontrollinstanz für die Mächtigen, gar als Wahrheitsbeschaffer der Demokratie. Der U-Journalist versteht sich ausschließlich als Mittler zwischen Konsum und Konsument. Er ist ein Marktschreier, er ist ein Entertainer, ein fröhlicher Kumpel jedweder Prominenz und zugleich deren Verlautbarungsorgan. Einschmeichelnd schreibt er der Prominenz nach dem Munde und schmiegt sich deren Erfolgsreichtum an, in kuschelweichem Opportunismus. Er ist kein Journalist im herkömmlichen Sinn, er ist bestenfalls Journalismus-Darsteller.
Vom Typus her ist der U-Journalist der realitätstüchtige Landsknecht, der von jedem Medien-Condottiere angeheuert und beliebig eingesetzt werden kann. Vorausgesetzt, der Sold stimmt. Mit dem Sold ist auch sein Wohlverhalten erkauft. «Pack Journalism» lautet der neueste Modebegriff für jenen Journalisten-Typus, der öffentliche Meinung bloß noch kopiert und simuliert, der schreibt, was gefällt – nicht, was geschah.
Eben weil sich die Produktion von Information nicht rationalisieren läßt, produziert der Unterhaltungs-Journalismus nur noch entweder Soft-News oder Hard-News in Billig-Ausgabe und Pseudo-Fasson – also Talmi-Imitationen von harter Fakten-Recherche. Der U-Journalist sieht sich als Teilnehmer und Bestandteil der Entertainment-Industrie. Information ist eine Ware, und diese Ware soll unterhalten. Unterhaltsamkeit verlangt Anstrengungslosigkeit. Entertainment soll mühelos sein. Auch Urteilskompetenz ist eine Ware, wenn auch keine sonderlich gefragte, weil ihr Unterhaltungswert begrenzt ist und weil sie unter Umständen einen gewissen Denk- und Konzentrationsaufwand erfordert und Aufmerksamkeit erheischt, wo doch eher das flüchtige Durchblättern und Durch-Zappen angesagt scheint. Entweder also läßt sich die Urteilskompetenz zum Entertainment umwandeln, oder sie wird verschwinden. ♦Aus: Sigrid Löffler, Gedruckte Videoclips, Vom Einfluß des Fernsehens auf die Zeitungskultur, Picus Verlag 1997
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