Karol Kurpinski / Franciszek Lessel: Quartett-Musik
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Unbekanntes Musikland Polen
Dr. Markus Gärtner
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Das in Warschau ansäßige Label Acte Prealable hat eine sehr interessante CD herausgebracht, die, gestützt auf den zupackenden Vortrag des Wilanów-Quartetts, die Möglichkeit eröffnet, einen auditiven Blick auf polnische Komponisten zu werfen, welche in anderen Teilen der Welt bisher wenig bis keine Beachtung fanden. Denn während Karol Kurpinski dem einen oder anderen vielleicht noch vage als Lehrer Chopins in Erinnerung sein könnte, wird Franciszek Lessel wohl nur absoluten Kennern der polnischen Musik etwas sagen. In ihrem Schaffen gehen die Komponisten, obschon beide noch im 18. Jahrhundert – und dabei nur fünf Jahre auseinander – geboren sind, recht unterschiedliche Wege.
Kurpinski experimentiert mit seinerzeit fortschrittlichen harmonischen Zusammenstellungen; Lessel dagegen bleibt insgesamt konservativer ausgerichtet. Dabei entwickelt Letzterer aus volksmusikalischem Material mitunter höchst mitreißende Stücke.
Beleg dafür ist das hier leider nur mit dem ersten Satz vertretene Streichquartett Nr. 1. Das vollständig eingespielte Trio op. 5 fällt dagegen wieder etwas ab, da hier mit eher vorindividuellen Mustern gearbeitet wird. Allein das Adagio liefert mitunter griffigere Prägungen. Kurpinskis Fantasie für Streichquartett, welche vorliegende Produktion eröffnet, darf hier sicherlich als interessanteste Entdeckung gelten. Nach sehr langer tastender Einleitung, die das eigentliche Gewicht dieser Komposition ausmacht, entspannt sich der Satz in bewegtere Gestik, die mit einem dezent barocken Anstrich spielt. Entsprechend dem Titel «Fantasie» wartet das Stück in seinem Verlauf mit mehreren unterschiedlichen Charakteren auf. Es macht zweifellos Appetit auf Kurpinski und wirft die Frage nach dessen Einfluss auf seinen berühmtesten Schüler neu auf. ■
Wilanów Quartett, Pawel Perlinski (Klavier): Karol Kurpinski, Frantiszek Lessel, Acte Prealable AP 0143 (2006)
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