Christian Ortner : Prolokratie

Christian Ortner : Prolokratie„Demokratie kann nur funktionieren, wenn die Verblödung der Mehrheit ein bestimmtes Ausmaß nicht überschreitet, sonst kippt sie in die Herrschaft der Verblödeten.“*

So lässt sich Christian Ortners Essay „Prolokratie – Demokratisch in die Pleite“ auf den Punkt gebracht zusammenfassen. Doch was tun, wenn diese Herrschaftszeit schon längst begonnen hat? Auch darauf weiß Christian Ortner eine Antwort, wenn auch verhalten : Wir müssen das System der “westlichen” Demokratie überdenken.

Hier vorweg der Hinweis, für wen die Streitschrift nicht geeignet ist:

1) Leser, die Streitschriften grundsätzlich persönlich nehmen und glauben, ihnen persönlich wolle Herr Ortner das Wahlrecht entziehen. Nur ihnen. Jetzt.

2) Menschen, die das Buch nur in der Hand halten und darüber lamentieren möchten, weil sie längst selbst zur kritisierten Bevölkerungsgruppe zählen.

3) Selbsternannten Verfechtern der Demokratie, die, um es mit Ortner zu sagen glauben, „zwischen 200 Joghurtsorten und 500 Fernsehkanälen entscheiden zu können“ sei deren Grundgedanke.

Sollten Sie zu keiner der genannten Leserschichten gehören, dürfte „Prolokratie“ einen interessanten Denkanstoß über den Demokratierahmen heraus bilden.

Das Essay beschäftigt sich auf 90 Seiten Länge, was gerade richtig für die Thematik zu sein scheint, mit den „Kevins und Jessicas“ Deutschlands, also sinnbildlich den Menschen die mit völlig falschen Antworten in Call-In-Sendungen anrufen, „10 Kilo abnehmen in 3 Tagen“-Programmlösungen erwerben und auf eine Berufskarriere nie Lust hatten. Sie könnten auch Chantalle und David heißen, Fakt ist, dass sie einen großen Teil der Bevölkerung stellen.

Die Annahme des Autors ist die folgende: Wenn diese Menschen im Alltag nicht in der Lage sind Medienschwindel und Bildschlagzeilen als falsch zu erkennen, wie zum Henker sollen sie dann politische Entscheidungen treffen. Nach welchen Prinzipien wählen Jessica und Kevin zum Beispiel lokale politische Ämter, wenn sie denn wählen? Und können sie wirklich in Bürgerentscheiden zum Thema ESM, Europa allgemein oder – aktuell – Wasserwerke-Privatisierung mitdiskutieren, wenn sie seit 2 Tagen dank einer Überschrift das Wort kennen und seit heute eine Meinung dazu haben?

Christian Ortner diskutiert im Abseits des deutschen Demokratiegedankens. Was, wenn wir ein Parlament oder einen Kongress hätten, der entscheidet. Was, wenn wie am Beispiele Frankreichs einige Entscheidungen von Kandidaten getroffen würden, die per Los aus der Bevölkerung bestimmt würden? Und was ist die Alternative? Werden die Jessicas und Kevins weiterhin denjenigen wählen, der ihren Arbeitslosengeld-Satz anhebt, auch wenn das wie in Griechenland, Frankreich oder Spanien dann eine extrem linke oder extrem rechte Regierungsspitze bedeutet?

Der Autor diskutiert jedoch neben dem „Was wenn“, auch den aktuellen Stand der Dinge. Wie die Qualität der politisch informierenden Zeitungen zum Beispiel sinkt, weil Politik schon lange kein Reißer mehr ist (siehe auch „Lies es nicht“). Wie unaufbereitet man dem Fernsehzuschauer politische und internationale Meldungen in Kürze präsentiert, weil sich ohnehin niemand mehr für die Hintergründe interessiert. Und nicht zuletzt: Wie Politiker bereits jetzt Angst vor unpopulären Entscheidungen haben, weil sie wissen, dass Kevin und Jessica sie nicht wiederwählen, wenn sie die Unterschicht nicht stützen und damit im schlimmsten Falle immer mehr ausbauen.

Christian Ortner : Prolokratie„Prolokratie“ ist bei edition a erschienen und für 14,90€ in einer für ein Essay sehr schön aufbereiteten Hardcover-Edition erhältlich!

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*Zitat entnommen aus dem besprochenen Buch

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