Schwerpunkt Architektur – Ein Interview mit dem Fotografen Leonhard Hilzensauer

Leonhard, seit wann arbeitest du als Fotograf und wie kam es dazu?

Bei mir war es wie so oft der klassische Beginn: Ich bekam als Jugendlicher eine Kamera geschenkt. Davor hatte ich immer schon gerne gezeichnet, und so kam eines zum anderen.

Am Anfang war die Kamera oft ein Vorwand, an Orte und zu Ereignissen zu gehen, wo ich mich sonst ohne „Aufgabe“ verloren gefühlt hätte; es war ein Erkunden von Themen, die mich interessierten, mit Hilfe der Fotografie.

Aus einem anfänglichen Hobby wurde ein größeres Interesse. Nach dem Zivildienst habe ich bei mehreren Fotografen als Assistent gearbeitet und eine Ausbildung absolviert; derzeit arbeite ich als freier Fotograf und Fotoassistent in Wien.

Welche künstlerischen und ästhetischen Ansprüche verfolgst du? Was willst du mit deinen Fotografien vermitteln?

In der Fotografie geht es für mich stark um Reaktionen und Stimmungen. Wenn es gelingt, sie bei einem Betrachter zu wecken, dann kann ein Bild bereits gelungen sein. Oft sehen wir belanglose Bilder, zum Beispiel in der Werbung, die genau das erreichen sollen − nämlich Emotionen wecken. Fraglich ist, ob sie das auch noch erreichen.

An erster Stelle steht für mich der visuelle Eindruck. Ein Bild muss als Bild funktionieren, erst dann kommt der theoretische Unterbau. Bilder vermitteln eigene Empfindungen, die mit Mitteln der Sprache nur schwer zu fassen sind.

In erster Linie fotografiere ich für mich selbst. Es ist bei mir ein wenig so wie bei einem Entomologen: Will er etwas über einen Käfer lernen, muss er ihn töten, um ihn in Ruhe betrachten zu können. Möchte ich etwas über meine Umwelt lernen, fotografiere ich sie.

Welche Techniken oder Stile bevorzugst du? Wie bereitest du dich auf ein Fotoshooting vor?

Da muss ich zwischen kommerzieller und freier Fotografie unterscheiden.

Mein beruflicher Schwerpunkt liegt in der Architekturfotografie. Da gibt es technische Besonderheiten, wie z. B. zur Bildebene verstellbare Objektive (Shiftobjektive), das Arbeiten mit einem Stativ, die Absprache mit dem Kunden…

In meiner freien Fotografie habe ich mehr Zeit auf die Themen einzugehen, die Bilder mehrmals zu betrachten und zu überprüfen. Es gibt bei mir wiederkehrende Themen, wie zum Beispiel das Aufeinandertreffen von Natur und Stadt, und daraus resultierende Fragen wie: „Was bedeutet Natur?“ Haben wir sie uns untertan gemacht oder sind wir ihr ausgeliefert? Wer beherrscht wen? Das äußert sich in Bildern, in denen etwa ein dschungelartiges Dickicht unvermittelt mit einer Betonmauer zusammenprallt, sie kontrastiert.

Welches war dein bisher intensivstes Erlebnis als Fotograf?

Als ich mir den Finger im Stativ eingezwickt habe.

Existiert in Bildern eine visuelle Magie? Wenn ja, wie erweckt man sie?

Ich denke nicht, dass es dafür ein Rezept gibt, wenn ja, wüsste ich es gerne.

“Visuelle Magie“ finde ich einen etwas mystifizierenden Ausdruck. Es gibt Bilder, die mich fesseln, verfolgen, inspirieren – aber ich denke, das ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Beim Entstehen eines gelungenen Bildes sollte man den Aspekt des Zufalls nicht unterschätzen. Vor allem das Erkennen und Bewerten eines Potenzials stellt eine Herausforderung an den Fotografen dar. Auch das Bearbeiten eines Bildes, das schon bei der Wahl des Ausschnitts beginnt, kann dazu beitragen, die “Magie“ zu wecken oder zu zerstören. Man spricht ja gerne davon, dass ein Bild “funktioniert”.

Man sollte auch nicht vergessen, dass in vielen Bereichen der Fotografie eine grosse Menge an Ausschuss-Bildern anfällt, kurz gesagt: trial and error.

Sieht eine Kamera anders als das bloße Auge?

Eine Kamera sieht insofern anders als das bloße Auge, als sie alles gleichwertig abbildet. Unser Auge nimmt sehr stark selektiv und adaptiv wahr. Es gibt Möglichkeiten, einen Bildteil mit Hilfe von Licht, Unschärfe und Komposition zu gewichten, aber ich finde sehr oft Bilder spannend, die sich erkunden lassen wie  eine Landschaft und sich nicht durch Vordergründigkeit aufdrängen.

Manchmal kommt es mir so vor, dass gerade hinter einem Foto, das so realistisch wirkt, als hätten wir das Sujet schon einmal gesehen, besonders viel  Arbeit steckt. Das ist gut in den Arbeiten von Alfred Seiland zu erkennen, der oft jahrelang an seinen Werken arbeitet.

Was hältst du von derartigen Aussagen? – Die Fotografie ist eine intellektuelle Idee, deren Zeit vorbei ist.

Ist eine Idee nicht immer intellektuell?

Ich verstehe die Frage so, dass das realistische Abbilden der Welt eventuell nicht mehr zeitgemäß ist. Das mag die anfängliche Motivation der Fotografie gewesen sein, aber wer bestimmt, wann etwas vorbei ist? Ist es nicht vielmehr so, dass wir uns in einem immer fortlaufenden Prozess und Experiment befinden? Selbst die Sprache, eine der ältesten „Ideen“, kann immer neu erfunden werden, und nichts anderes ist die Fotografie.

Findest du Dinge in deiner Arbeit, an denen du noch experimentieren möchtest?

Ich hoffe, ich werde immer Dinge in meiner Arbeit finden, an denen ich experementieren kann. Eine besondere Aufgabe sehe ich darin, den Blick über die Grenzen der Fotografie hinaus zu richten und nicht im eigenen Bereich zu verharren. Außerdem steckt die Fotografie und insbesondere die digitale Bildbearbeitung noch immer in den Kinderschuhen und wird noch für viele neue Möglichkeiten sorgen. Auch an der Qualität meiner Bilder zu arbeiten kann eine lebenslange Aufgabe sein. Ich denke, es gibt wohl kaum einen wirklich guten Fotografen oder eine Fotografin, der/die nicht durch lange Erfahrung, Experimentieren und Fleiß zu dem geworden ist, was er/sie ist.

Gibt es etwas, das dich an der Fotografie besonders fasziniert?

Prinzipiell ist es nicht eine einzelne Eigenschaft. Ich finde es zum Beispiel spannend, dass die Fotografie sehr direkt auf den Betrachter wirkt, ein wenig so wie die Musik, gegen die man sich nur schwer wehren kann. Dass sie sehr vielfältig verwendet wird und und in sehr unterschiedlichen Qualitäten vorkommt, ein wenig wie bei der Architektur, die leider auch zu selten hinterfragt wird. Den schon erwähnten Zufall finde ich spannend, wie zum Beispiel in Sammlungen von privaten Amateurfotgrafien oder in einer kürzlichen Publikation von Google-Streetview-Bildern.

Und dass sie ihre ganz eigenen Stärken hat. Die Sprache erzählt uns etwas über die Welt mit Hilfe von Wörtern, die Fotografie tut es mit Hilfe von Bildern − womit wir vielleicht doch wieder bei der visuellen Magie wären, die sie in ihrer Disziplin unschlagbar macht.

Leonhard Hilzensauer wurde 1982 in Horn/Niederösterreich geboren. Er absolvierte eine Ausbildung an der Höheren Graphischen Lehr und Versuchsanstalt Wien, wo er zurzeit auch lebt und arbeitet. Der Fotograf kooperiert mit mehreren Verlagen. Unter anderem waren seine Werke bereits in Wien und Berlin bei Ausstellungen zu sehen.

 www.leonhardhilzensauer.com

2 Gedanken zu “Schwerpunkt Architektur – Ein Interview mit dem Fotografen Leonhard Hilzensauer

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