Gemeuchelt am Telefon: Königsdrama
20. März 2006 | Von WT | Kategorie: Regional-KrimiBei Eva Klinglers neuestem Buch “Königsdrama” handelt es sich um einen Kriminalroman nach klassischem Muster. Die Malerin Alicia Aherne zeichnet vor dem Straßburger Münster das Porträt einer Frau. Als diese wenig später in Mannheim im Käfertaler Wald ermordet aufgefunden wird, mischt sich Alicia in die Ermittlungen der Polzei ein. Die Ermordete hatte in Straßburg eine sensationelle Entdeckung gemacht und die Spur führt ans Mannheimer Nationaltheater, wo in dieser Saison das Shakespeare-Drama “Macbeth” inszeniert werden soll.
Die Autorin, Jahrgang 1955, beschreibt ihren Lebensweg wie folgt: Mit vierzehn Jahren von den Eltern nach Mannheim verpflanzt. Dort Wurzeln geschlagen. Abitur, Studium Germanistik und Anglistik, Lerhrerin am Gymnasium, Journalistin beim SWR, Bibliotheksleiterin in Rheinstetten aber vor allem Autorin: dreizehn Bücher in zehn Jahren – Stipendium der Reemstma Stiftung für Nachwuchsautoren und Mitglied in der Autorenvereinigung “Syndikat”.
Das “Königsdrama” mit Tat- und Handlungsort Mannheim vollzieht sich in Mrs. Marple-Manier in der Künstler und Theaterszene. Im Prolog gibt es “Macbeth-gerafft” und Kapitel für Kapitel ein “Macbeth”-Zitat zum Auftakt.
Alicia Aherne verdient sich ihren Lebensunterhalt als freischaffende Porträtmalerin. Sie skizziert in dieser Eigenschaft auch Ensemblemitglieder und technisches Personal des Nationaltheaters und wohnt mit ihrer Schwester Beate zusammen. Beate ist mit befristetem Arbeitsvertrag Pressesprecherin bei der Polizei und privat mit dem verheirateten Leiter der Mordkommission Peter Fisher liiert. Fisher wiederum bringt Unruhe in den Haushalt der Schwestern, da er in der Regel häufig, spontan und unangemeldet zu jeder Tages- und Nachtzeit zum Liebesakt mit Beate auf der Bildfläche erscheint, was Alicia erbost und ihre Schwester verunsichert. Eva Klingler gelingt es, trotz handlungsarmem Alltag ihres Protagonisten-Trios, einen Spannungsbogen aufzubauen, der trägt. Das Buch lebt weniger von einer Handlung sondern von Dialogen, Erzählungen und Reflexionen der Protagonisten und hält leider einige Wiederholungen und ärgerliche sprachliche Redundanzen bereit. Insgesamt wird eine Sprache gewählt, die man eher im Kiosk-Roman-Heftchen erwartet und im Buch einer Germanistin irritiert. Ausser Alltäglichem passiert nichts. Dass im Käfertaler Wald eine Frauenleiche gefunden wird, ist Alltag für Fisher und Beate, erweckt jedoch Alicias Spürsinn. Die Tote, Alexandra Hunold, hatte sich schließlich von ihr porträtieren lassen. Sie entpuppt sich als gefürchtete Theaterkritikerin und veranlasst Fisher und Alicia zu reger Schnüffeltätigkeit am Nationaltheater; wobei Fisher Alicia mit erpresserischen Tricks für seine Zwecke einzuspannen versucht.
Die Dialoge in den Auseindersetzungen zwischen Alicia und Fisher offenbaren leider auch gnadenlos die Schwächen des Textes. Dialog am Telefon. Fischer: “Beckett, sagt mir nicht viel!” – Alicia: “Warten auf Godot!” Fischer: “Ist das dieses furchtbare Stück, in dem zwei Wohnsitzlose in stadteigenen Abfallbehältern ohne Einhaltung der Mülltrennung sitzen und Unsinn reden!” Alicia fiel fast der Hörer aus der Hand. Nicht nur, dass er das Stück kannte, er konnte darüber sogar witzig reden. Das hätte sie ihm nicht zugetraut.
Spätestens an dieser Stelle wünscht sich der Leser, Nagg möge den Deckel seines Mülleimers ein wenig anheben und mit der Trillerpfeife dieses schaurige Spiel zur Halbzeit, auf Seite 156 von 374, abpfeifen und Nell aus der anderen Tonne heraus blitzschnell mit flinken Fingern das Buch als Sitzunterlage zu sich herein ziehen. Bei einem Kriminalroman im Theatermilieu mit einer handvoll Beckett-Experten im Personal, der “Warten auf Godot” und “Endspiel” nicht auseinderhalten kann, stellt sich weniger die Frage, nach dem Mörder der Theaterkritikerin – vielmehr interessiert, über wieviele Keller verteilt liegen zerstückelt die Leichen von Erst-, Zweit- und Schlusskorrektor dieses Buches und an welchem Baum hat sich sein Lektor erhängt. Schade – bei Eva Klingler hatte man etwas anderes erwartet.
Eva Klingler: Königsdrama. Gmeiner Verlag. Messkirch. Februar 2006, kartoniert, 374 Seiten ISBN: 3899776666
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