Sequena

Eine neue Poesie breitet ihren Mantel über den Strom : Rhythmus ist Maschinentakt; Inhalt ist Arbeit, Melodie vielleicht, Akkordeonklang zum Sonntagstanz, Lotrechte Kurven, aufrechter Untergang.
So band Honoré Daumier mit flinkem, sicherem Stift die Badenden, Pudelscherer, Angler an den Kais in sein
Sketchbook. Der Bouquinisten=Tratsch – und ich erstand Arthur Schnitzlers

    Der Schleier der Pierette

mit Autograph des Verfassers und seines Illustrators für 20 Francs. Hier ist keine Zeit, hier ist Allzeit, das leichte Grau, das allen Dingen unendliche Zartheit verleiht. Keine schönere Stadt als der graugoldene
Seine=Nebel von unten heraufwabern läßt. Heloise und Hugos Zigeunerin Esmeralda treffen sich hier, Voltaire ging durch diese Gassen, aber auch Mimi Pinson (oder
Hauffs

    Bettlerin von Pont des Arts)

von niemand geliebt, von allen erbeutet. Meine ersten Gedichte von Paris brechen in der Mitte ab. Ich bin dieser völlig versonnene Nymphen=Sohn; vorzüglich, wie Du schmeckst, Sequena – und wie Jouffroy Dich schuf : ruhend, halbnackt, mit Seerosenblättern gekrönt, streng Deine Gesichtszüge. Wasser fließt aus einem Krug, den Deine linke Hand hält, die andere verharrt über dem Knie. Ein großes Bündel Trauben, Früchte, Korn.
Doch nur Sequenas, der jungen Seine Bild, ruht hier einsam hinter Gittern in einem feuchten Kerker. Sie selbst durchläuft schlank die Wiesen der Champagne.

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