Nachlese

(SO, Kurzprotokoll, vollständig)

I Die zwei Grosspflanzen der Seitenränder der Bühne sind dazu da, dass sich die Dichter vor ihrem Vortrag dahinter verstecken können und man sie doch sieht. (Halbzugriffigkeit). Der Hausmeister ist dazu da, die Mikrophone zu testen. Die Moderatorin ist dazu da, bei allfälligem Knarzen des einen mit den Schultern zu zucken. Das Publikum ist dazu da, dieses Zucken zur Kenntnis zu nehmen und sich daraus einen Teppich zu knüpfen, aus knallbuntem Lauten, das schlagplötzlich verstummt, wenn der Dichter das Podium betritt, die Moderatorin die Stühle zurechtschiebt und der Hausmeister ein letztes Mal mit den Zähnen klappert.

II Schöne Sätze und andere: Photokameras (= Kanonen?). KANONEN? Riesenphalli unter pelzigen Mikrophonen stossen in den Schaubereich (Schambereich). Ist das dort doch der Pastior. Ist das nicht Oskar Pastior. Da sitzt doch Oskar Pastior. Oskar? Und: ist das nicht Cohn-Bendit? Nein, das ist nicht Cohn-Bendit. Schnauze jetzt. Ich. Freue mich so zahlreich. Die Spange irritiert. Es ist, wie soll man sagen: eine Verhöhnung des Machbarkeitswahns. Danach und dazwischen können Fragen gestellt werden. Da ist eine degenerative Erscheinung im Mundbereich. Eine Spezialkamera. Was macht die denn da? Nimmt das sich verschlechternde Wetter auf. Im Mundbereich? Und: Fragen zur Entmündigung des Menschen. (HaHa). Die Felszähne der Dolomiten (HaHa). Der Mund als Schauplatz korrespondierender Textsorten, oder: Die Sprache als Protagonist des Romans. Und als Sprechzimmer. (HaHa).

III Literatur soll eine Zumutung sein. Eine Herausforderung. Eine Erwartungsunterlaufung. Aber das in Solothurn? Solothurn als Schule der Behutsamkeit. (HaHa). (Ein Einfall: „Ein Aufschnappen ist immer auch ein Zuschnappen“). Herr D. ist kein Kaminfeger. Er sammelt Daten sinnlicher Wahrnehmung. Man definiert auch über das Nichtsein. Vor allem über das Nichtsein. Herr D. ist kein Kaminfeger, aber in Liechtenstein geboren. Herr D. ist kein Liechtensteiner. Man schätzt seine prosaische Unaufgeregtheit. Er versteht das Handwerk des Füllens und des Leerlassens. Er sieht die Wörter als Augen. Herr D. ist der Beleuchter Gottes. (Das Mikrophon knarzt. Der Hausmeister knattert mit den Zähnen. Es weht etwas Mailuft aus dem Mund des Dichters, Stakkato, Stakkato, Plosive, ein Pfft, die Summe der Wörter: sonor. Auch: Menthol). KASTANIENBAUMKRONEN. (Eine Kamerafrau, der Fluss jetzt, die Schleusen, eine SCHWERTPAPPELREIHE, kein Komma). (Jetzt gibt es ein neues Mikro. Jetzt steht ein Echo an der Stelle des Knarzens, das Hallen verstärkend, bis es immer höher wird und sich in einen dünnen, spitzen Ton versteigt – einen Stich ins Ohr. Eine Erwartungsunterlaufung.).

IV Ich bin immer wieder in die Nähe der Prosa gekommen. (Geraten?). (Husten. Nicht mehr auf die Stimme hören. Die Stimme versteigt sich zu einem spitzen Ton. Die Stimme schon, aber nicht der Text, den man in den Augen der Zuhörer liest, die nichts als Wörter sind und Stimmungen deuten. Ihre Stimmungen). Frage zur Atemlosigkeit des Vortrags des Dichters der Texte (eines Lesers, d.h. Hörers): Warum? Antwort: Beim Lesen (beim laut Lesen) gewinnt und verliert der Text immer. (Man stelle sich eine Zugfahrt vor und die vorbeieilenden Bilder).