(Kleines Intro zur Veranstaltung am vergangenen Donnerstag.)
Ich bin Urheber und das ist ansteckend, aber nicht besonders schlimm. Ich bin Autor und damit Funktion von Texten. Adresse von Texten, auch dieses Texts. Das ist wahr.
Als besonders wahr und wichtig haben sich bislang 6000 Schriftstellerinnen und Schriftsteller vor einigen Wochen aufs Treppchen gestellt und gesagt: Wir sind die Urheber. Der Sänger und Romancier Sven Regener (bekannt durch die Band “Element of Crime” oder das Buch “Herr Lehmann“) und das Feuchtgebiet Charlotte Roche haben zuvorderst behauptet, man habe Ihnen etwas weggenommen.
Niemand will ihnen ihre Textfunktion wegnehmen. Sie dürfen Urheberin und Urheber bleiben. Das ist bestens geregelt. Es geht gar nicht anders. Aber es wird behauptet, dass man ihre Einkommensquelle beschneide. Dass Schriftsteller und Musiker von ihren Produkten (und sie meinen ein Buch oder eine CD) primär lebten, und das sei nun irgendwie durch das Internet gefährdet.
Das trifft aber nur auf sehr sehr wenige Künstlerinnen und Schriftstellerinnen zu. Und auf noch weniger Verlage. Und wenn der Markt über den Kunstbegriff befindet, muss man sich nicht immer sicher sein. Nehmen wir hinzu, dass Musik immer aus Musik gemacht wird, und Literatur immer aus Literatur. Und manchmal Literatur aus Musik und umgekehrt, dann nähern wir uns wieder den eigentlichen Fragen, und die müssen – nach all den Verwirrungen in letzter Zeit – wieder in den Vordergrund gestellt werden.
Text und Ton sind in erster Linie Angebote zur Kommunikation. Beides tauscht sich aus, spielend und schuldet sich nichts.
Heute bin ich Urheber, aber nur zum Teil. Ich kann aber mit der Gespaltenheit leben. Bei den Texten unter dem Titel disco (dis/co) handelt es sich eigentlich um eine Art literarische Konzeptkunst.
In den vergangenen 10 Jahren habe ich die beiligenden CD-Sampler der Musik- und Popkulturzeitschrift Spex gesammelt. Als das 100. Exemplar ankam, habe ich mir gedacht, aus dieser nun sogar vollständigen Sammlung müsste man eigentlich etwas machen. Aber was? Literarisch, d.h. textlich kamen da vor allem Bandnamen und Songtitel in Frage. Und streng genommen bildet diese Sammlung einen zeitlichen Ausschnitt einer Sprache des Pop in der Form von Liedtiteln. Ich hatte also gewissermassen ein Sprach- bzw. Wortarchiv als Vorgabe und die Idee, aus dem Wortmaterial der Songtitel jeder einzelnen CD einen kleinen Text bzw. eine Art Gedicht zu formen. Vielleicht kann das irgendwelche Aussagen über einen Zustand machen.
Damit das einigermassen funktionierte, musste ich mir ein paar Anpassungen erlauben, die sozusagen Regel, d.h. poetisches Verfahren wurden. So wurden nicht-deutschsprachige Titel meist ins Deutsche übertragen oder übersetzt. Flektionen, Splittings und Wort-Umstellungen waren erlaubt. Und noch ein paar andere Dinge. Die einzelnen Texte erhielten keine eigenen Titel, aber Referenznummern, die auf die ursprüngliche CD verweisen. Damit wird Ursprungsmaterial (und Urheberschaft) auch theoretisch transparent, mit etwas Recherche kann man alle Informationen der Sampler im Netz finden.
Ich habe diese Serie disco (dis/co) (also mit Schrägstrich) genannt, einerseits, weil diese Musik auch in der Disco stattfinden könnte, andererseits, trennt man das Wort in dis und co bzw. setzt man es wieder zusammen, dann erkennt man hier in nuce vielleicht, dass sowohl in der Zusammenstellung einer CD als auch bei der Herstellung solcher Gedichte ähnliche Verfahren des Samplings und der Montage am Werk sind. Songs oder Wörter werden aus ihrer ursprünglichen Umgebung (dem Werk, dem Werktitel) herausgelöst und mit anderen in Beziehung gesetzt. Mit ganz eigenen Effekten.
Noch ein Wort zu der kleinen Aufhängung der Kartonbücher, den sogenannten Flooksbooks von Sam Kautsch und mir. Auch bei dieser Produktion dreht sich eigentlich alles um Fragen problematischer Urheberschaft, Reproduktion und Serialität. Wer sich dafür interessiert: es gibt dazu ein Informationsfaltblatt und eine Karte.
Und eigentlich kann es gar nicht anders sein, wenn Musik und Texte miteinander in den Dialog treten sollen, dass da eine Band ist mit dabei. Ich freue mich, dass Bobby Vacant & the Worn mit macht bei diesem Gespräch. Am Bass ist Brigitte Meier und an der Gitarre Tom Derungs.
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