Und, wussten Sies?: die Schweizermacher sind häufig auch Vertreter doppelter Macherschaft. Hatte man auch noch nie viel übrig fürs Deutsche, hier wird man in wenigen Jahren – angesichts der Alternative und den dortseitigen Strategien von Identifikationsreizproduktion – eines anderen belehrt.
Der Kommentar zu Zaugg, Buch unter Druck, Das Magazin, kommt etwas spät, aber er kommt: “tatsächlich keinen einzigen Amazon Kindle”, kein E-Book etcpp. hat der Autor dieses Artikels auf den diesjährigen Solothurner Literaturtagen entdeckt. Vielleicht hat er es auch etwas verabsäumt, jenseits der Grenzen eines dort gastierenden Grossbuchhandelssortiments zu suchen? Wäre er beispielsweise ins Zelt der Swiss Independent Publishers (swips.ch) gegangen, dann hätte er all dies z.B. am Stand der kleinen edition taberna kritika (etkbooks.com) gefunden. Vielleicht will man also nur suchen, was man zu finden erhofft? Geht man auf einen regionalen Fischmarkt, erwartet man doch auch nicht eine Riesenauswahl Spanischer Weine.
In Nachbars Garten (Shortshortstory)
Deutschlanddeutschlandüberalles singt und lehrt es den Kindern. Gehts noch? Oder hast du was genommen? Wollt ihr den totalen … skandieren. Und Schland rufen, ja, Schland. Und noch einmal Schland? Man braucht keinen Gadamer dazu, die Begleitgesten angemessen zu verstehen. Am Mittag, die Damen baden gerade, gibts dann noch ein paar Führerwitze. Als Dessert, sozusagen. Sonst überlässt man Raum und Sprache auch den Metaphern von Kampf- und nationaler Differenz. (Halbgare) Damenwarnungen ignoriert man, man hält sich schliesslich für ironisch. Die strukturelle Analogie zum besoffengröllenden Nachbarn, der mit Argentinien sympathisiert und ganz ernste Witze macht und am Ende weint, kann Deutschlanddeutschlandüberalles dagegen gar nicht nachvollziehen. Schalten wir also besser auf Durchzug. Irgendwann haben wir genug und müssen endlich feststellen, dass wir ein mögliches Ergebnis gar nicht mehr tippen und uns auch sonst nicht mehr in diesem Sprachsumpf waten wollen. Und das war schon der Grund des Aufbrausens von Deutschlanddeutschlandüberalles? O.K., man befindet sich schliesslich, wenn nicht in den eigenen vier Wänden, so doch im eigenen Garten und meint damit Land und den zugehörigen Nippes, und da darf doch so eine kleine Hitlerimitation oder ein Deutschlanddeutschlandüberalles undsoweiter wohl noch … Denn, ja, wo sind wir denn überhaupt? (Wir schweigen mal lieber weiter, dann entfernen wir uns. Wir seien in diesem Punkt etwas sensibel, sagt man uns nach.) Deutschlanddeutschlandüberalles usw. Das ist doch alles gar nicht so, wenn auch … Dann unternehmen einen Schritt in Richtung Mässigung, damit die Party vielleicht doch noch in die Gänge kommt und schlagen ein Schwammdrüber vor, erst mal. So einfach geht das aber nicht, denn erst muss man die Mitschuld an dieser Situation kollektiv erörtern, so die Damen und der immer noch ironische Deutschlanddeutschlandüberalles. Vielleicht, ja, vielleicht, kam es an diesem Punkt zu einem klitzekleinen, kritisierbaren Affekt. Sollte das der Fall gewesen sein, aber nur dann, entschuldigen wir uns dafür. (Im Nachhinein: er hätte ja noch einiges grösser sein dürfen.) Sonst gibt es aber keine weitere Zuneigung. Man sei an diesem Punkt halt auch (so die Damen) etwas sensibel. (Dabei war man gar nicht sensibel, sondern einfach nur.) Und eine Mitschuld an dieser ganzen Chose akzeptieren wir auch nicht, da auch unser Analytiker feststellte, dass eine Mitschuld lediglich durch unsere Nervosität und damit Freud’sche Ausfälle generierende Präsenz konstruiert wurde. Ob Deutschlanddeutschlandüberalles das nachvollziehen vermag? Vielleicht, wenn wir mal gut drauf sind, nehmen wir eine handschriftliche, vollumfängliche Entschuldigung ohne Mitschulderklärungszwang von ihm an. Wenn wir wirklich gut drauf sind. Hochachtungsvoll. (Schluss jetzt. Aus jetzt, aber. Sonst siehst du die Kinder heute zum letzten Mal.)