(Nachträge I)
(…) Was als «hybride Bibliothek bezeichnet wird eine Einrichtung, bei der eine konventionelle um eine digitale Bibliothek ergänzt ist erweist sich zunehmend als problematisch.
Eine virtuelle Bibliothek kann nämlich, inzwischen wieder ganz auf einen lokalen Server fixiert, aus urheberrechtlichen finanziellen Gründen allem technischen Brimborium zum Trotz nicht mehr die umfassenden Dienstleistungen bieten, die für konventionelle Bibliotheken Standard waren. Insbesondere die wissenschaftlichen Zeitschriften werden da Knacknuss, weil die Druckausgaben immer teurer werden und Verlage sich weigern, die elektronischen Rechte an Bibliotheken abzutreten, so dass immer nur neusten Nummern verfügbar und die Kernaufgabe einer Bibliothek, die Archivierung, in Frage gestellt ist.
Jochum macht noch auf etwas anderes aufmerksam, das für Schweiz genauso wie für Deutschland gilt. 2006 ist die «Deutsche Bibliothek » in «Deutsche Nationalbibliothek» umbenannt worden, obwohl sie bloss eine Sammelstelle der seit 1913 in Deutschland erschienenen Veröffentlichungen also «ohne die historische Bestandestiefe auskommen muss, die andere Nationalbibliotheken auszeichnet». Die Kritik gilt, ganz abgesehen von dem für die deutsche Schweiz total unglücklichen Beiklang des Wortes «national», für die kürzlich zur Schweizerischen Nationalbibliothek umgetaufte Landesbibliothek. Auch diese Bibliothek ist bloss eine Sammelstelle der seit 1895 in der Schweiz erschienenen Veröffentlichungen, auch ihr fehlt die für eine wirkliche Nationalbibliothek unabdingbare «historische Bestandestiefe» bis den ersten überlieferten schriftlichen Zeugnissen.
aus dem Artikel: Hybride Bibliotheken, Der Bund, 15.8.07, S.25