There is no fiction

Man erinnert sich an einen Roman. Das heisst: man erinnert sich an Bilder, die ein Text erzeugt hat mit unserer Hilfe. Keine konkreten Ereignisse, aber Stimmungen. Situationen: ein Bahnhof, vielleicht. Im Herbstlicht. Ein Kaffeehaus in Salzburg. Ein Koffer auf einem Marktplatz in der kleinen Stadt. Nicht der Roman hat diese Bilder (die Pflastersteine, die den Koffer grundieren, den der Held vergass) erzeugt. Er gab nur Anlass. Unsere Erinnerung hat sie moduliert. Einen Roman zu lesen, ist immer auch: sich zu erinnern. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

eine alte rezeptionstheorie, eigentlich. die privaten wortaneignungsverhältnisse bestimmen das identifikatorische moment im lesen. der roman ist aber auch die summe der aneignungen. will sagen: nicht der roman ist fiktional, sondern die akte der lektüren. spricht man also vom roman, muss von der nicht zu beziffernden summe der lektüren des romans gesprochen werden.

warum? wir hatten den gleichen text, aber wir haben zwei unterschiedliche bücher gelesen. wirklich. und die wahrheit lag nicht dazwischen.