Serie Stadtteile
Zehn Gründe, warum du in Hötting wohnen solltest

„Hötting ist ein Königreich, rundherum liegt Österreich“. So stand es einst an einer Hauswand der Höttinger Gasse geschrieben, die sich auch als „Passage“ hinein in das Königreich beschreiben ließe. Wer diese Passage übertritt, die Schwelle der Schneeburggasse oder der Riedgasse überschreitet, der ist schon mitten drin im Königreich. Dieses hat vor allem einen Vorteil: Man weiß, wie es hier in fünf Jahren aussehen wird, was man von Wilten ja beim besten Willen nicht behaupten kann. Hötting steht für Tradition, Kontinuität, Bewahrung der alten Werte und einen Hauch von Skurrilität. Hötting ist aber auch liebenswert, weil es Sicherheit gibt, gerade in seiner Beständigkeit und Widerständigkeit. Moderne Zeitgeist-Strömungen wie Atheismus, Nihilismus, Craft-Beer oder Pulled Pork kommen hier später oder gar nicht an.
1. Der Burenwirt – Zum Heurigen!
Fangen wir doch einfach mal gleich mit einem sehr guten Beispiel an, was Hötting denn nun so besonders macht. Allem voran muss da der „Burenwirt“ genannt werden. Und nein, probiert es erst gar nicht den Burenwirt in den endlosen Weiten dieses neumodischen Internets zu suchen. Der „Burenwirt“ braucht weder Homepage noch Facebook-Seite. Die Menschen kommen auch so vorbei. Dort isst man Schnitzel, Backhendlsalat, Chilli-Schnitzel und noch einiges mehr. Wirklich sagenhaft ist der Kartoffelsalat, der anstatt der hier verteufelten Pommes herhalten muss. Selbstgemacht und hausgemacht steht hier an der Tagesordnung.
Donnerstags steht immer Live-Musik am Spielplan. Die begnadete Zither-Spielerin Sabine Laimböck gibt echte Volksmusik nahtlos und friedlich vereint mit Gassenhauern wie „Fields of gold“ von Sting zum besten. Möglicherweise lässt sich hier auch schon die Ausrichtung des Burenwirtes ablesen: Ja, schon traditionell und urig, aber keineswegs altmodisch oder gar verschlossen. Das Publikum ist auf exakt gleiche Weise zusammengesetzt wie die Setlist von Sabine Laimböck: Urige Höttinger mit Hang zum Alkoholismus meets trinkfreudige Studenten. Aber auch immer mehr Leute verirren sich zum „Burenwirt“, die neben all dem Pulled Pork, Soulfood und Craft-Bier wieder mal ein wenig Bodenständigkeit und eine gehörige Portion Tradition benötigen. In dieser Hinsicht ist der Burenwirt wirklich ein heilsamer Ort.
2. Der Spielplatz in Hötting inkl. Mega-Rutsche
Ich habe es oft versucht, bin aber immer wieder kläglich damit gescheitert! Hin und wieder steht es an, dass ich mit meinen zwei Kindern auf den Spielplatz gehe. Von wegen “Auslauf” und so. Weil sie sonst zu viel Energie hätten. Oder warum auch immer. Meine Argumente doch mal zu einem anderen Spielplatz zu gehen verhallen, werden schlicht und einfach ignoriert und mit tautologischen Argumenten abgeschmettert. Dieser Spielplatz ist super, weil er super ist weil er super ist. Meine Kinder nehmen nämlich vor allem eines wahr: Die spektakuläre Rutsche, die mit den besten Rutschen in Innsbruck mithalten kann und die meisten davon locker lässig aussticht und übertrumpft.
Dass ich mir dabei manchmal spätnachmittägliche Höttinger-Frauen-Kaffee-Klatsch-Runden geben muss und diesen Gesprächen faktisch nicht entkomme, ist meinen beiden Mädels dabei herzlich wurscht. Der etwas verwilderte Zustand des Spielplatzes hat nämlich auch noch den entscheidenden Vorteil, dass sie durch das angrenzende Waldstück streifen können. Setze ich mich dann hin, beantworte auf meinem Smartphone noch schnell ein paar E-Mails oder surfe sinn- und planlos durchs Internet, dann höre ich oft eine halbe Stunde und mehr nichts von ihnen.
Was sie dann genau machen und was sie genau an diesem Spielplatz fasziniert? So ganz genau weiß ich es nicht. Ich kann nur sagen, dass der liebevoll angelegte Spielplatz in St. Nikolaus keine Chance gegen diesen eher ursprünglichen und hochgradig authentischen Spielplatz hat. Schönheit und liebevolle Details hin oder hier: Dieser Spielplatz ist wie Hötting selbst: Rau, ursprünglich, echt. Die Schönheit liegt dabei im Auge des Betrachters und wird einem nicht wie auf manch anderem High-End-Spielplatz förmlich auf die Nase gebunden.
3. Der „Glockengießer“ – Saufen pur!
Andere brauchen ausgefallen Biersorten, Bio-Burger und was weiß ich noch alles. Der “Glockengießer” hat von all dem nichts. Ich bin außerdem sicher, dass er es auch in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren noch nicht haben wird. Hier gibt es Starkenberger-Bier, Gulasch, Toast und manchmal eine Art von Pizza. Mühe geben muss sich der „Glockengießer“ aber ohnehin nicht, denn er verfügt über einen ausgesprochen großen Anteil an treuen Stammgästen, die bereits um 16:00 einfallen und sodann gleich das erste Bierchen kippen. Kein Bier vor vier! Daran hält sich der Glockengießer äußerst akribisch.
Kein Problem für die Stammgäste, die dann halt einfach, weil sie kein Bier vor vier bekommen haben, ab vier doppelt oder dreimal so schnell und so viel trinken. Der Glockengießer verfolgt dabei ein interessantes “Minimal-Gastro-Konzept”: Bier! Und Essen, weil man sonst zu schnell einen Rausch hat. Mehr braucht es hier nicht. Vielleicht noch ein bisschen Schlagermusik, bei der man über verflossene Liebschaften nachdenken kann und leise in sein achtes Bier hineinweinen kann.
Messen sollte man sich eher nicht mit den anwesenden Gästen, denn Trinkfestigkeit ist hier ein Hilfsausdruck. Gäbe es diesen Begriff noch nicht, er müsste für einige der Stammgäste hier erfunden werden. Und: Hin und wieder gibt es dort, wie im Moment, auch “sexy Service Ü50″. Was das genau heißt, müsst ihr schon selbst herausfinden.
4. Bäckerei „Widmann“ – Bäcker und noch mehr…
Nichts gegen diese Kette in Innsbruck und in Tirol, die aufgetaute und fertig gebackene Brötchen und Brot verkauft. Aber das hier ist einfach das echte Ding. Echtes Brot, von einem echten Bäcker gebacken, nicht von einem “Backbox-Bäcker”. Das hier ist noch das gute alte Handwerk, angefangen beim frühen Aufstehen bis hin zu den enormen Unterschieden in Qualität und Geschmack. Wie fast alles in Hötting hat dieser Ort zwei Seiten. Vorne befindet sich die Bäckerei und der Verkaufsladen, in denen Stil und Anstand gewahrt wird. Hier kann ich ohne Probleme auch mit meinen Kindern hineingehen ohne dass ich fürchten muss, dass sie von den Ur-Höttingern mit dem einen oder anderen eher derben Spruch verdorben werden.
Hinten im Café lauert aber die Höttinger-Parallelwelt, in die ich mich bisher nicht vorgewagt habe. Ein Erlebnis zeigte mir aber, dass die Uhren dort anders ticken wenn einer der Stammgäste um 09:00 Uhr morgens herauskommt um vier Bier zu bezahlen. Verraucht, mystisch und geheimnisvoll erscheint mir diese Welt. Eine Art von Heterotopie, mit Michel Foucault gesprochen. Ich bin mir unsicher, welche Bedingungen ich erfüllen muss, um diesen „anderen Ort“ zu betreten.
Müsste ich ein „echter Höttinger“ sein und kein „Zuagroaster“? Ich weiß es nicht. Fürs erste begnüge ich mich mit dem Bäcker, ins Café wage ich mich vielleicht demnächst mal. Und: Hier bekommt ihr die besten Faschingskrapfen weit und breit. Was auch schon mal nicht nichts ist. Vielleicht sind diese aber auch nur eine Art Einstiegsdroge in diese fremde, bedrohliche Welt im Café…
5. Die engen und steilen Gassen von Hötting!
Ganz egal in welcher Lebensphase ihr euch gerade befindet. Ob ihr Student seid oder schon längst Kinder habt: Hötting ist der optimale Platz für euch! Die engen und steilen Gassen sind der optimale Sportplatz für Leute, die eigentlich gar keinen Sport mögen. Wer nach einem abendlichen Ausflug aus dem Königreich nach Innsbruck-Stadt wieder zurück möchte, der muss vor allem die Höttinger Gasse bewältigen. Vielleicht auch noch die Schulgasse und die Bildgasse. Im allerschlimmsten Fall auch noch die Dorfgasse.
Wer das geschafft hat, der weiß, was er getan hat: Nämlich sich ungewollt sportlich zu betätigen. Eine perfekte Möglichkeit, dass der trinkfreudige und sportfaule Student auch noch irgendwie die Figur wahren kann. Intensivieren lässt sich diese Übung noch mit Kinderwägen. Wer hier einmal oder fast täglich einen Kinderwagen raufgeschoben hat, der ist reif für den Iron-Man.
Als klassisch Zugezogener muss ich für Alt-Hötting wirklich eine Lanze brechen.
Ich hätte nie gedacht so schnell und so gut integriert zu werden. Im Höttinger Oberdorf war ich nach einem Jahr mehr integriert als nach zehn Jahren auf der Hungerburg. Hötting ist echt, mit allen Vor- und Nachteilen. Und ja, hier ist es wurscht ob Du Doktor, Mechaniker oder arbeitslos bist, hauptsach Du grüßt und hast Zeit für die Menschen um Dich herum und das ist herrlich!
Schade, dass ich 1999 noch keinen Artikel wie diesen lesen konnte, als ich von England in die Kirschentalgasse zog. Die übrigens ein bisschen ein Gegenbeispiel zur beschriebenen Beständigkeit ist. Die weißen Hochhäuser stehen noch nicht lange, und an der Ecke ist die Bankfiliale einem Sportgeschäft gewichen, also doch ein bisschen Wilten…
Jedenfalls ein sehr liebenswürdiger Text, der Lust macht auf einen Besuch. Mein Favorit ist übrigens der Teil über den Kindergarten.
Guat gschrieben hasch des, Markus!
sweet memories….war zwischen 93 und 96 in einer WG in der Bildgasse, und tatsächlich; zwischen 2 und 3 zu Fuß noch vom Bogen 13 heim zu latschen war tatsächlich eine sportliche Angelegenheit…damals gab’s noch einen Greißler in der Nähe und den Metzger in der Höttinger Gasse. Im Glockengießer war ich aber nur schnell Bier holen…;-)—schöner Artikel, Markus!
Leider wurde die “Höttinger Nudl” nicht erwähnt.
Wie heißt es schön? “Hötting ist ein Königreich, darum herum ist Öterreich”
Wunderschöner Beitrag.
dieser blog trifft den berühmten nagel auf den kopf. genauso isses. toller beitrag.