Interview Michael F.P. Huber
“Der eigentliche Sinn von Musik ist für mich Kommunikation”

Michael F.P. Huber hat vor wenigen Wochen den renommierten Landespreis für zeitgenössische Musik erhalten. Vergangenen Donnerstag traf ich einen hoch sympathischen, humorvollen, entspannten Menschen in einem Café in Innsbruck. Schnell wurde im Gespräch klar, dass mir da ein Komponist gegenüber saß, der seinen ganz eigenen Weg gefunden hat.
Das Werk von Michael F.P. Huber ist weder avantgardistisch, noch traditionell oder gar traditionalistisch. Er liebt es zum Teil mit “alten Formen” umzugehen und diese so zu benutzen und aufzuladen, dass sie unerhört und neu klingen. Einer “pseudo-modernen” und “pseudo-avantgardistischen” Ästhetik steht er tendenziell ablehnend gegenüber.
In diesem Interview kommt man dem Grund dafür näher – und erfährt nebenbei so einiges darüber, warum doppelte Böden und Humor in seinem kompositorischen Schaffen eine solch wichtige Rolle spielen.
AFEU: Michael, kannst du mir bitte deine musikalische Laufbahn skizzieren? Von den frühen Anfang bis hin zum jetzigen Zeitpunkt!
Michael F.P. Huber: Die frühen Anfänge beschränken sich eigentlich darauf, dass ich dem Geige- und Gitarre-Üben meiner Schwester gelauscht habe. Ich stamme zwar nicht aus einer Musikerfamilie, aber unsere Eltern haben uns ermöglicht Instrumente zu lernen. Ganz konkret erinnere ich mich an das Üben des berühmten Vivaldi A-Moll-Konzertes oder der Musette von J.S. Bach auf der Gitarre.
Für mich war bald klar, dass ich selbst etwas spielen wollte. Mit acht oder neun Jahren war mein erstes Instrument dann die Geige. Bereits nach der ersten Geigenstunde mit Übungen zur richtigen Haltung und dem Spielen leerer Saiten war es für mich ganz normal, mich hinzusetzen und mein erstes Stück zu schreiben.
Irgendwann ist mir die Geige zu wenig gewesen. In den ersten Jahren war ich aber fleißig am üben. Ich hatte das große Glück am Konservatorium Vladislav Markovic als Geigen-Professor zu haben. Dieser hat meine Ambitionen sehr liebevoll unterstützt. Er hat mir geholfen alles richtig aufzuschreiben. Das hat dazu geführt, dass ich im Alter von 11 Jahren meine erste Uraufführung mit einem Duo für zwei Geigen hatte.
Nebenbei habe ich das Klavier für mich entdeckt. Ich bin ja ein „Harmonie-Mensch“ und dort konnte ich mich besser entfalten – mit mehr Stimmen und grundsätzlich mehr Möglichkeiten. Ich habe mehr und mehr hin zum Klavier gewechselt, bin aber nach wie vor froh, dass ich mit der Geige begonnen habe. Die Schärfung des Gehörs ist bei der Geige schließlich sehr intensiv.
AFEU: Du bist ja ein sehr offener Komponist und Musiker. Wenn du deine Geschichte reflektierst: Wo begann es, dass du dich nicht auf eine „moderne Klangsprache“ fixierst hast? Du gehst ja auch viel mit Tradition um.
F.P. Huber: Vor allem in Wien habe ich sehr viel an Musik kennen gelernt. Experimentelle elektronische Musik. Serielle Komponisten, Post-Darmstadt-Komponisten. Ich habe Wien Modern in all seinen Facetten verfolgt. Ich kenne Performances, Jazz-Events, Jam-Sessions. Auch Orchester-Experimente und moderne Oper habe ich natürlich gehört.
Ich habe viele Leute in diesem Bereich kennen gelernt. Sehr liebe und nette Menschen. Aber sie leben zum Teil einfach auf einem anderen Planeten.
Ich habe viel ausprobiert und sehr vieles hat mich inspiriert. Auch „Progressive Rockmusik“ hat mich beeinflusst, zum Beispiel die Band Can. In meinen Werken hört man das vielleicht nicht explizit, aber das fließt alles mit ein. Bei dieser Band wurde viel improvisiert, die Musiker kamen aus verschiedenen Musikrichtungen. Diese Offenheit hat mich interessiert. Lange Zeit wollte ich etwas Ähnliches machen und habe in einer Band in Wien als Keyboarder gespielt. Es hat mich dann aber doch wo anders hingedrängt.

Michael F.P. Huber mit Karlhein Siessl, dem künstlerischen Leiter der “Akademie St. Blasius” (Bild: TLM)
AFEU: Siehst du es als problematisch an, wenn man sich als Komponist rein auf die „neutönende“ Avantgarde fokussiert?
F.P. Huber: Man muss sehr vorsichtig sein und darf nicht alles in einen Topf werfen. Ich habe viele Leute in diesem Bereich kennen gelernt. Sehr liebe und nette Menschen. Aber sie leben zum Teil einfach auf einem anderen Planeten. Der eigentliche Sinn von Musik ist für mich Kommunikation. In diesen Kompositionen gibt es Konstruktionen und Geräusch-Entwicklungen, die mit meinem Verständnis von Musik in dieser Hinsicht wenig zu tun haben. Ich finde, dass in diesem Bereich viele Sachen 1:1 austauschbar klingen.
Ich glaube aber, dass Musik für jemanden gemacht ist. Für jemanden der zuhört, für jemanden der sie spielt. Das ist tief in mir drinnen. Ich kann nicht anders.
AFEU: Austauchbarkeit ist ein guter Begriff. Ich erkenne da manchmal auch wenig Persönlichkeit. Manches klingt wie eine „Avantgarde-Masche“.
F.P. Huber: Ja, Persönlichkeit ist sehr wichtig. Eine gewisse Unverwechselbarkeit. Natürlich ist es aber genauso schwer, wenn man auf traditionellen Pfaden wandert.
AFEU: Man hat die ganze Musikgeschichte im Hintergrund und muss erst seinen eigenen Weg in dieser finden.
F.P. Huber: Ja. Das genau ist die große Schwierigkeit in Mitteleuropa. Wir haben den ganzen Kultur-Rucksack am Rücken, den ganzen Ballast der Tradition. In den USA, in Skandinavien und auch jenseits des ehemaligen „eisernen Vorhangs“ ist die Entwicklung in dieser Sache entspannter. In Mitteleuropa gibt es eine regelrechte Traditions-Besessenheit. Alles muss außerdem immer stets neu erfunden werden. Das ist alles schon ziemlich ausgereizt. Es ist schlichtweg kontraproduktiv.
AFEU: Ich finde interessant, dass du Musik als Kommunikation verstehst. Man sagt dir ja auch nach, dass du verstanden werden möchtest und nicht hermetisch im Elfenbeinturm wohnen und arbeiten willst…
F.P. Huber: Ich übernehme sehr gerne einen Ausspruch von Ivan Eröd, der meinte, dass er gehört und verstanden werden will. Natürlich wird das zum Teil falsch ausgelegt. Etwa, dass man nur für das Publikum und für den Zuhörer schreiben würde. Daraus wird oft geschlossen, dass die Musik einfach sein muss, sofort verständlich. Das ist sie bei mir ganz gewiss nicht.
Meine Musik ist sehr oft auch doppelbödig. Viele Sachen erschließen sich wirklich nur dem Fachmann, der die Werke analysiert. Das macht aber nichts. Bereits Alban Berg hat gesagt, dass man die Zwölf-Ton-Reihe nicht hören muss, sondern sie ein Mittel zum Zweck sei. Gerade Alban Berg klang ja streckenweise wie ein hochromantischer Komponist. Kein Zuhörer interessierte sich da für die Konstruktion, sie war aber nun einmal da.
Man wird immer auch angefeindet, wenn man für Zuhörer und für das Publikum schreibt. Die Frage ist aber, für wen man sonst schreiben sollte? Ich kann natürlich die Sachen für mich selbst machen. Ich glaube aber, dass Musik für jemanden gemacht ist. Für jemanden der zuhört, für jemanden der sie spielt. Das ist tief in mir drinnen. Ich kann nicht anders.