Kolumne: Der Oberhirte

Liebe Touristiker: habt ihr das nötig?

„Safe the date“ wurde mir kürzlich zum x-ten male via email aufgetragen. Nein, werd ich ganz sicher nie mehr tun. Deutschsprachige, die sich mir gegenüber nicht in Deutsch auszudrücken vermögen, können mir in Zukunft gestohlen bleiben.

Eines aber vorweg. Ich brauche für diese Predigt keine unliebsamen Claqueure wie Nazis, Rechtsfaschisten, Miesmenschen, Verschwörungstheoretiker, FPÖler und andere Vollpfosten und Patridioten. Nicht nur, dass ich die Ideen dieser Personengruppen zutiefst verabscheue. Ich stelle auch immer wieder fest, dass Deutsch für viele dieser bedauernswerten Menschen eine Fremdsprache ist. Rechte Dumpf- und Dummköpfe sollten also hier und jetzt aufhören weiterzulesen. → Ihr versteht das eh nicht.


 Die Predigt


Mir ist kürzlich bei einer Fahrt mit der ÖBB ein Plakat ins Auge gestochen, das es in sich hatte. Ich kann‘s ja zugeben, ich konnte den Inhalt nicht völlig sinnerfassend lesen. Da wird auf einer sprachlichen Klaviatur gespielt dass es nur so qualmt. Von Contest, Testival, Sessions, Ridersclash und Legends ist da die Rede. Und Chillout ist auch noch angesagt.

kaunertal

Na gut. Ich bin vielleicht zu alt dafür, solche ,Events‘ zu besuchen. Bei genauerem Hinsehen steckt aber ein sinisteres System hinter solchen Texten. Das System des Tourismus-Denglisch. Anders ausgedrückt: so muss man sich als Tourismusregion offenbar der jungen Klientel an den Hals werfen um im Geschäft zu bleiben. Mein ernsthafter Verdacht: Die Texter solch halblustiger Blödsinne nehmen an, die Jugend verstünde, rede und dächte ausschließlich in solchen Anglizismen. Weit gefehlt. Die verstehen das teilweise auch nicht.

Das Kaunertal Opening war heuer also ein Anniversary und stand zudem ganz im Zeichen von Music & Culture. Ich zerbreche mir aber heute noch den Kopf, ob ein Ridersclash eine Kampfsportart ist oder doch eher ein Testival ist, bleibt mir vermutlich ewig verschlossen.

Ich hab da einen Verdacht

Um hier keinen Zweifel aufkommen zu lassen: ich habe mehrere Jahre im Ausland ausschließlich Englisch gesprochen und darf behaupten, englischsprachige Zeitungen fließend und sinnerfassend lesen zu können. Ich hab also überhaupt nichts gegen Englisch. Und trotzdem verstehe ich Bahnhof.

Ich habe den Verdacht, dass die deutsche Sprache für solche Veranstaltungen mit Englisch-Brocken aufgepeppt werden muss wie ein völlig geschmackloser Mac Donald-Hamburger mit einer fetten Soße. Haben wir das in Tirol nötig?

Ja, noch was. Ich hätte mir bis heute nicht träumen lassen, dass ausgerechnet die Kaunertal – Touristiker in der Lage wären, mir die Grenze meiner englischen Sprachkenntnisse aufzuzeigen. Respekt!

Die Verwendung englischer Worte und Spezialausdrücke wäre ja weiter nicht schlimm, könnten die jungen Leute wirklich Deutsch. Aber wenn sich mangelnde Deutschkenntnisse mit halblustigen Englischkenntnissen vermischen kann nichts Gescheites dabei herauskommen. Denn nur wer die sogenannte ,Tiefenstruktur‘ einer Sprache beherrscht, wird auch eine Fremdsprache zufriedenstellend erlernen. Und diese Tiefenstruktur wird etwa bis zum Anfang der Pubertät erworben – oder eben nicht. Denn nur dann, so die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in ihrem Jahrbuch 1998, „könnte man viel eher darauf vertrauen, dass … die Sicherheit in der Muttersprache nicht gefährdet ist – ein paar Hundert englische Wörter hin oder her“. Wenn nicht, ja dann werden diese Menschen in ihrem Alter weder gut Deutsch noch gut Englisch sprechen können.

Es wäre also ziemlich wichtig, die Deutschkenntnisse unserer Kinder massiv zu verbessern. Sonst besteht die Gefahr, dass sie sich als Erwachsene nicht mehr verständlich auszudrücken vermögen. Ein Hinweis darauf gibt eine deutsche Computer-Fachzeitschrift, die eigens einen promovierten Germanisten angestellt hat. Nur um aus den in „unglaublich fehlerhaftem Deutsch geschriebenen Aufsätzen, die dem Magazin eingesandt werden, lesbare deutsche Texte“ zu machen. (zitiert aus dem Jahrbuch 1998 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“).

Wollen wir das? Und: leisten die Tiroler Touristiker dieser Entwicklung grad auch noch Vorschub?

Mich würde Eure Meinung interessieren.

PS: Einem weiteren Missverständnis möchte ich auch gleich vorbeugen. Die sogenannte ,Computersprache‘ war und ist Englisch. Wer also von ,Heim-Seite‘ spricht wie dies viele rechte Vollpfosten tun, missversteht die Grundlage dieser technischen Sprache. Denn das erste wirklich weltweite Betriebssystem MS-DOS wurde in Englisch geschrieben. Also nix mit ,Heimseite‘, ,Mutterbrett‘ oder ,Eisenware‘. Diese Übersetzungen meist rechter Patridioten sind damit zu vergleichen, heutige deutsche Texte zurück ins Althochdeutsche zu übersetzen.