Flüchtlingswelle

Rückschritt Europa – Zaun und Festung

Schön war’s am Montag. Die Fahnen, die österreichische Militärparade, die Tage der offenen Türen in den Landhäusern, der freie Eintritt in den Museen. Ein echter Feiertag.

Diejenigen die noch wissen warum Österreich einen Nationalfeiertag feiert, schlafen lang oder geben auf Twitter Preis, warum der 26. Oktober Feiertag ist. Die Legende spricht von den letzten Soldaten die abzogen, die ein freies, neutrales Österreich hinterließen. Und tatsächlich, Neutralität steht im Mittelpunkt dieses besonderen Tages. Denn darum geht es: Neutralität.

Die Europäische Union ist ein Segen. Immer noch, jeden Tag. Die Bananenkrümmungs-Bestimmungen scheinen oft wichtiger als Menschen, TTIP nervt, die Euro-Krise…was uns nicht auseinander bringt, schweißt uns mehr zusammen. Die Grenzen sind offen. Undenkbar vor 30 Jahren, jetzt fahren Südtiroler nach Innsbruck zum shoppen und Nordtiroler zum Ausflug nach Südtirol zum guten Essen. Wer braucht noch einen Pass? Nichts mehr mit Währung wechseln, ab in den Zug, ins Auto und los geht’s.

Günter Schabowski sei Dank. Niemals wird es so eine bahnbrechende Pressekonferenz mehr geben, als jene die er im Oktober 1989 gegeben hat. Ein Versprecher, der das Ende der DDR besiegeln und die deutsche Einheit einleiten sollte. Schabowski sollte mit Brandt, Schmidt, Gorbatschow und Einheitskanzler Kohl die Lorbeeren für ein geeintes Europa bekommen. Gut, nicht nur diese Männer trugen dazu bei – Europa wie es jetzt ist, war ein Wandlungsprozess.

Täglich erreichen uns hunderttausende Flüchtlinge. Flüchtlinge, von einem Krieg, an dem Europa Mitschuld trägt. Angela Merkel lädt alle Kriegsflüchtlinge ein, nach Deutschland zu kommen, nur um im Gegensatz ihr MILAN-Waffensystem zu feiern, dass in Syrien auf Seiten der Peschmerga zum Einsatz kommt. Stolz erzählt sie, Kurden würden ihre Kinder Milan taufen, da die Panzer solche Durchschlagskraft hätten. Ein Krieg in dem kein Europäer zum Einsatz kommt, Europa aber integriert ist.

Flüchtlinge strömen über die Grenzen, in die Türkei, weiter nach Griechenland, Bulgarien, Italien, Kroatien, Slowenien oder Ungarn. Ungarn baut wieder Zäune. Zu Kroatien, dem EU-Partner, zu Serbien, dem benachbarten Nicht Eu-Staat. Nein, kein nicht ungarischer Mensch soll noch ungarisches Territorium betreten können. Weiterschicken oder nicht herein lassen. Die EU-Außengrenzen absichern. „Europa soll wieder eine Festung werden“. Wie Österreich.

In Österreich gibt es ein Dorf namens Traiskirchen. Dort steht ein Flüchtlingslager, das ständig überfüllt ist. Der Regierung ist das wurst. Vielleicht ändert ja die Tatsache das Wurst krebserregend ist, die Annahme der Bundesvertreter. Ansonsten bleibt das Bild: stay away refugees. Erfrierts draußen. An guten Tagen schicken wir euch direkt nach Deutschland. Dort wollt’s ihr eh hin.

Der Chefredakteur der steirischen Kronenzeitung Christoph Biró, hat kürzlich in seiner Kolumne übelste Hetze gegen Flüchtlinge betrieben. Diese würden Sitze in den Zügen aufschneiden, ihre Bedürfnisse darin verrichten, notgeil und damit potentielle Vergewaltiger sein. Hetze und Angst, mehr scheint die Gesellschaft 2015 nicht zu brauchen. Biró wählt den Notausgang, das war zu viel der Hetze – er zieht sich vorerst aus der Redaktion zurück.

Gisela.M  / pixelio.de

Gisela.M / pixelio.de

Am Feiertag trat der Kanzler wieder einmal auf. Lange wurde er nicht gesehen, einige dachten schon er sei verloren gegangen. In den letzten Monaten wollte er sich nicht mehr blicken lassen. Vermutlich durfte er sich wegen des Wienwahlkampfes auch nicht zeigen. Womögich hätte sein Auftreten am Ende wirklich Strache in die Karten gespielt. Auf dem Heldenplatz dann die Ansprache: „Seit Wochen und Monaten suchen Frauen und Männer, Familien mit Kinder, Schutz in Mitteleuropa. Der Umgang mit dieser Flüchtlingsbewegung ist für Europa zur Nagelprobe geworden“.

Noch sind die Grenzen offen. Wegen Schabowski, Brandt, Schimdt, Kohl, Gorbatschow und weiteren. Gestorben sind viel zu viele, damals und heute, für ein Leben in Freiheit, Demokratie und Offenheit. Jetzt will man nicht mehr. Bayern will dicht machen. Ungarn hat dicht gemacht. An der kroatisch-serbischen Grenze spielt sich das nächste Drama ab. Viel fehlt nicht mehr zur angesprochenen Festung.

Einen Tag nach dem Nationalfeiertag, am 27. Oktober orbanisiert Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Österreich. In Spielfeld soll ein Zaun gebaut werden, ein Zaun von “festen, technischen Sperren mehrere Kilometer links und rechts des Grenzübergangs”. Ihr sozialdemokratisches Pendant Verteidigungsminister Klug stimmt ihr zu: er kann sich Container oder Absperrgitter an der Grenze vorstellen “um die Flüchtlinge geordnet kontrollieren zu können”. Natürlich dürfe man aber “die Menschlichkeit nicht aus den Augen verlieren”.

Das passiert einen Tag nach Österreichs Nationalfeiertag. Dem Tag, an dem Österreich nicht mehr besetzt war und sich europäisieren konnte. Wer also am 26. Oktober 2016 die Fahne schwingt, sollte in Zukunft auch an den 27. Oktober 2015 denken: dem Tag an dem Österreich auch den europäischen Gedanken zu Grabe getragen hat.