Groß ist die Freiheit in der Bundesrepublik, aber noch größer die Feigheit.
Marcel Reich-Ranicki
Lokalhelden definiert den geschmähten Begriff ´Heimatroman` neu. Das Rheinland erscheint hier als eine in die Jahre gekommene BRD (Westdeutschland), eine angeschmutzte Provinz. Unter praktischen Gesichtspunkten qualifizieren sich die Bewohner dieses ´Retrotopia` (Zygmunt Bauman) als Lebensverpasser, sie schämen sich kaum, rutschen aus einer Problemlage in die nächste und erweisen sich auf diskrete Weise als schamlos. A. J. Weigoni war ein Meister der der unsentimentalen Empathie, als passionierter Menschenforscher lieferte er in seinem zweiten Gesellschaftsroman ein eierkohlenglühendes Stimmungsbild der Achsenzeit mit ihren veränderten Verhältnissen, Ansprüchen und Wesensverzerrungen. Wie bereits in seinem Erinnerungsdiskursroman Abgeschlossenes Sammelgebiet erwies er sich als feinsinniger Analytiker von Milieus und Mentalitäten der alten Bundesrepublik. Er dekonstruiert das Rheinland mit geschärftem Sinn für die Vielschichtigkeit der trivialen Erscheinungen und ergründet die universelle Dimension dieser Region. Bei aller Ruppigkeit ist ihm das liebende Einverständnis mit seinen Figuren wichtig. Es geht bei den Lokalhelden um die Liebe zum Rheinland, es geht darum, die Seele der Region sichtbar zu machen, und letztlich um eine gelingende Aufklärung im Gedächtnis der Literatur.
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Lokalhelden, Roman von A. J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim 2018 – Limitierte und handsignierte Ausgabe des Buches als Hardcover
Coverphoto: Jo Lurk
Weiterführend → Lesenswert das Nachwort von Peter Meilchen sowie eine Sondierung von Enrik Lauer. Ein Lektoratsgutachten von Holger Benkel und ein Blick in das Pre-Master von Betty Davis. Die Brauereifachfrau Martina Haimerl liefert Hintergrundmaterial. Ein Kollegengespräch mit Ulrich Bergmann, bei dem Weigoni sein Recherchematerial ausbreitet. Constanze Schmidt über die Ethnographie des Rheinlands. René Desor mit einer Außensicht auf die Bonner Republik. Jo Weiß über den Nachschlüsselroman. Margaretha Schnarhelt über die kulturelle Polyphonie des Rheinlands. Karl Feldkamp liest einen Heimatroman der tiefsinnigeren Art. Walther Stonet erkundet Altbierperspektiven. Ein Artikel aus der vom Netz gegangenen fixpoetry und zuletzt, ein Rezensionsessay von Denis Ullrich.